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Sseer ssönes Make-up

■ Cora Frost ist nach Ausflügen ins Theater auf die Chansonbühne zurückgekehrt. Auch mit ihrem neuen Programm, einem neuen Begleit-„Orkester“ und einer Multimediashow bleibt sie ganz die Alte: die beste Diva seit der Dietrich

Man ist ja schon so einiges von ihr gewöhnt. Stripeinlagen im Münchner Rotlichtmilieu, Bühnenflirts mit Tim Fischer und Hasssprüche auf Berlin, das sie trotzdem zu ihrer Heimat erwählt hat. Von der Chansonbühne war sie für eine ganze Weile verschwunden. Deshalb gab es Spekulationen. Fakt ist aber: Sie singt noch und ist immer für eine Überraschung gut.

Cora Frost ist nach einer Gesangspause, die sie für Ausflüge ins Schauspielgenre nutzte, in die so genannte Kleinkunst zurückgekehrt und hat ein neues Programm zusammengestellt, das sie jetzt im Jungen Theater uraufgeführt hat: „Nexte Lied“.

Es war eine Premiere im doppelten Sinne. Sie brachte erstmals ein ganzes „Orkester“ bestehend aus Trompete, Gitarre, Percussion und Orgel in die Spielstätte am Güterbahnhof mit und untermalt ihre Songs zusätzlich mit einer schrägen Multimediashow: Rotkäppchen und der Wolf, eine Flötenspielerin in der U-Bahn, ein walrossähnlicher Supermarktkunde und andere skurrile Szenen werden rückwärts, in Zeitlupe, oder im Raffer auf die Leinwand projiziert. Dazu scheint die Frost den Leuten ihre Lieder regelrecht hinzurotzen. Ganz wie Marlene Dietrich.

Sofort bezaubert sie durch ihren lässigen Charme. Puppenhaft, mit Schlafzimmerblick und roter Perücke pfeift die Ex-Tänzerin auf jegliche Körperhaltung. Sie schlenkert mit den Beinen, räkelt sich lasziv auf der Bühne und dreht, wenn's ihr Spass macht, dem Publikum den Rücken zu. Alles wirkt schrill, absurd und ironisch. Kinderstimmen und Gewittergeräusche vom Band, und Cora Frost singt kurz darauf von Liebe. Grell auch ihr goldgelbes Abendkleid, in das sie nach der Pause schlüpft. Die grüne Hose darunter versteckt sie nicht einmal.

Die Musik spielt hard und dann schmalztriefend soft. Und Cora singt. Zwei Stunden lang das „Nexte Lied“ – von Peer Raben, dem Bremer „Feinen Herren“ Mark Scheibe, Susanne Betancor, Gert Thumser und eigene Texte. Mal ist die Welt ein Foxtrott, mal ein Supermarkt. Dann redet sie. Aber nur ein bisschen holländisches Kauderwelsch über das „ssehr ssöne Make-up“ oder slawisches, wenn sie sich Sorgen um Ljuba macht, die auf deutsche Freier wartet. Sie haucht und seufzt und schreit aus voller Kehle. Manchmal reicht auch ein einfaches haha.

Tiefes Zarah-Timbre wechselt in eine piepsige Kleinmädchenstimme. Cora Frost beherrscht die ganze Palette. Neben den vielen deutschen Chansons sind auch englische und das portugiesische „Es ist süß zu sterben in den grünen Wellen des Meeres“ im Programm. Und sie hat sichtlich Spaß daran. Ebenso der Trompeter Paul Brody, der ihr mit und ohne Dämpfer manchmal den Chefposten streitig macht. Aber sie lässt sich davon genauso wenig aus der Ruhe bringen wie von einem streikenden Mikro. Cora Frost bleibt ganz Diva.

Maria Hufenreuter

Weitere Vorstellungen heute, 10. März, und morgen, 11. März, um 20.30 Uhr im Jungen Theater, Güterbahnhof, Tor 48, gleich hinter dem Übersee-Museum. Kontakt unter Tel.: 700 141.

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