: Schlaflose Kühe, eisige Herzen
■ Kullervon Kosto beeindruckten bei den „Women in (E)motion“ durch Charme, ausgefallene Kostüme und archaisches Liedgut
Dass Finnland von leicht schrägen Typen wimmelt, gehört seit den Filmen von Aki Kaurismäki hierzulande zum Allgemeinwissen. Die drei Frauen des A-Capella-Trios Kullervon Kosto waren am Samstagabend im gut besuchten Moments offensichtlich nicht angetreten, um diese Vorstellung zu widerlegen. Sie haben eine Vorliebe für ausgefallenes Bühnenoutfit, und so traten sie im ersten Set als Blumenfeen auf und überraschten im zweiten Set als glitzernde Goldengel mit aparten Flügelchen.
Bei den Erläuterungen der zum großen Teil aus der Kalevala, dem mythischen Heldenepos Finnlands, stammenden Lieder setzte sich dieser schräge Zug fort. In leicht gebrochenem Englisch und sich gegenseitig aufgeregt ins Wort fallend oder keck verbessernd, wurden die Inhalte und Hintergründe der Lieder dargelegt, wobei nicht immer Einigkeit über die Details bestand. Sie selbst betiteln ihr Programm als „Archaische Sounds von Liebe, Begehren, Verfluchtsein und Tod“, und entsprechend skurril sind die Themen, die im Lauf des Abends besungen wurden.
Da gab es Klagen über schlaflose Kühe, gefrorene Herzen, die Entstehung von bösen Krankheiten, den Ärger über hässliche Ehemänner, die frau sich auch noch selbst ausgesucht hat, so dass frau niemanden anders für ihr Unglück verantwortlich machen kann, oder es wurden Beschwörungsformeln zur Überwältigung störender Hummeln intoniert, mit denen man aber auch den Teufel besiegen kann.
Verstehen konnte die gemeine Bremer Zuhörerin davon kein Wort, und dennoch faszinierte der Klang der Sprache mit seinen vielen scharfen S-Lauten und den vorne gerollten Rs. In meist kanonartig arrangierten Gesangslinien und mit wechselnder Leadstimme trugen die beiden Schwestern Veera und Roosa Voima sowie Annamari Vänskä diese uralten, erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts notierten Poeme vor. Die Musik dazu haben sie selbst geschrieben. Dabei orientieren sich Kullervon Kosto am Klang der alten Sprache. So singen die drei sympathischen Finninnen eine Art Neo-Folklore, bei der sie auf Klänge und Melodien zugreifen, wie man sie aus Osteuropa oder samischen Gesängen kennt. Jedenfalls gestaltete das Trio einen in jeder Hinsicht bunten Abend, der Lust auf mehr „finniße“ Klangwelten macht. Arnaud
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen