: Stadt bleibt flohmarktfrei
Bei den Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf purzeln auf der Olympiabahn von Salt Lake City die Rekorde, der Bürgermeister der Stadt der Winterspiele 2002 freundet sich derweil mit dem IOC an
aus Salt Lake City EGON BOESTEN
„Ich glaube, wir sind perfekt“, sagte in aller Unbescheidenheit Mitt Romney, Präsident des olympischen Organisationskomitees in Salt Lake City. Am Wochenende hatte bei den letzten vorolympischen Wettkämpfen auch sein Sorgenkind der letzten Monate, die Eisschnelllaufhalle, ihre Bewährungsprobe bestanden. Am Samstagabend spielte die holländische Blaskapelle „Kleintje Pils“ nacheinander „We are the champions“, „Oh, wie bist du schön“ und „Hoch soll sie leben“, minutenlang trampelten die 3.500 Zuschauer im Utah Olympic Oval vor Begeisterung. Sie feierten Gunda Niemann, die gerade mit einem neuen Weltrekord über 5.000 Meter ihren zweiten Titel bei der Einzelweltmeisterschaft gewonnen hatte. Es war bereits die vierte Bestmarke, die an den ersten beiden Tagen der WM auf dem Eis von Salt Lake City aufgestellt worden war.
Die besten Eisschnellläufer der Welt bewiesen, dass die nach modernsten Erkenntnissen gebaute 400-Meter-Bahn tatsächlich bessere Zeiten erlaubt als jene in Calgary, wo bisher acht der Weltrekorde auf den zehn Strecken gelaufen worden waren. Die Kanadierin Catriona LeMay-Doan machte den Anfang und senkte ihre eigene Bestmarke über 500 m auf 37,29 Sekunden; es folgte Monique Garbrechts Titelgewinn über 1.000 m in der neuen Rekordzeit von 1:14,13 Minuten, und bei den Männern verbesserte der rasende Japaner Hiroyasu Shimizu den Weltrekord über 500 Meter auf 34,22 Sekunden.
Gunda Niemann hatte vor den 5.000 Metern bereits den Titel über 3.000 gewonnen, was sie nach dem Bahnwechselfehler, der sie bei der Mehrkampf-WM in Budapest den Titel gekostet hatte, als „Befreiung“ empfand. „Budapest haken wir jetzt ab“, sagte die 34-Jährige.
Glücklich war auch Nick Thometz, dreimaliger Olympiateilnehmer für die USA, der maßgeblich an der Konstruktion der Eishalle im 20 Kilometer von Salt Lake City entfernten Kearns beteiligt war. Bis zu den Spielen in einem Jahr soll die Kapazität der Arena, die erst vor einigen Tagen fertig wurde, auf 6.500 Plätze erweitert werden, alle Wettkämpfe sind bereits ausverkauft. Vor allem die trockene, dünnere Luft in der 1.300 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Halle begünstigt schnelle Zeiten, umfangreiche Messungen, die an diesem Wochenende durchgeführt wurden, sollen weitere Optimierungen bis 2002 ermöglichen. „Keine Frage“, sagt der US-Läufer Casey Fitzrandolph, „nächstes Jahr bei den Spielen wird das Eis noch schneller sein.“
Einige der zusätzlichen Kosten im olympischen Budget, mit denen sich Mitt Romney herumschlagen muss, stammen aus der Reparatur des Olympic Oval, dessen Dach im letzten Jahr einstürzte und dessen Boden erneuert werden musste. Obwohl die Sportanlagen für 2002 nunmehr fertig sind, muss das Organisationskomitee noch rund 90 Millionen Dollar für Verbesserungen investieren, deren Notwendigkeit beim Besuch einer IOC-Kommission mit dem Schweizer Marc Hodler an der Spitze zutage trat. Damit klafft im 1,37 Milliarden-Budget ein Loch von 66 Millionen Dollar. Hodler hofft, dass die von George Bush angekündigten Steuersenkungen zur Entspannung der Finanzlage beitragen. „Ich wäre pessimistischer, wenn ich nicht die Pläne ihres neuen Präsidenten kennen würde“, erklärte der Schweizer, der vor zwei Jahren höchstselbst den Bestechungsskandal um die Olympiavergabe an Salt Lake City ins Rollen gebracht hatte.
Insgesamt zeigte sich Hodler jedoch zufrieden mit dem Stand der Dinge und hob zu wahren Lobeshymnen an. „Wir sind glücklich, dass wir im selben Boot sitzen, gemeinsam und in Harmonie rudernd“, sagte er und bezeichnete die Gespräche als „sehr kooperativ“. Sein Wohlgefallen fand vor allem, dass Salt Lake Citys Bürgermeister Rocky Anderson den IOC-Delegierten zusicherte , es werde keinen Olympia-Flohmarkt wie in Atlanta 1996 geben: „Wir wollen für Salt Lake City nicht das Image einer überkommerzialisierten Stadt.“ Anderson setze vielmehr auf „den Charme und die Klasse von Salt Lake City Downtown“.
Allerdings konnten die Aufpasser vom IOC nicht überall ihren Willen durchsetzen. Die Stadt weigere sich, Reklameschilder-Vermieter zu zwingen, Flächen nur an Olympia-Sponsoren zu vergeben, erklärte Keith Christensen vom Organisationskomitee. Auch werde man niemandem untersagen, die Winterspiele für Protestaktionen zu nutzen. Marc Hodler hatte gehofft, die Stadt finde „Wege und Mittel“, Proteste von den Spielen fernzuhalten. Rocky Anderson will jedoch im Pioneer Park sogar spezielle Ecken dafür einrichten und den Demonstranten Lautsprecheranlagen zur Verfügung stellen. Eine Geste, die potenzielle Protestierer keineswegs überzeugt. „Im Pioneer Park erreichen wir niemanden“, schimpft Eric Ward von der Utah Animals Right Coalition und kündigt Demonstrationen außerhalb der dafür vorgesehenen Bereiche an. Wenn es sein müsse, werde man das Recht dazu einklagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen