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die preise purzeln nur so auf ihn nieder: der fotograf boris mikhailov

Weil er Nacktaufnahmen von seiner Frau gemacht hatte, die der KGB in seinem Spind fand, sah sich der Ingenieur Boris Mikhailov Mitte der 60er-Jahre gezwungen, vom Amateur- in den Profistatus zu wechseln. Der Geheimdienst hatte in den Fotos Pornografie erkannt. Zieht man die Geschichte des Mediums in Betracht, konnte dieser Start nur auf eine große Karriere hindeuten. Tatsächlich wurde Boris Mikhailov – neben seinem Freund Ilja Kabakov – einer der wichtigsten Künstler, die die untergegangene Sowjetunion hervorbrachte. Durch dumme Aktionen wie eben die des KGB. Jetzt purzeln die internationalen Preise nur so auf ihn nieder: Für „Case History“, eine Fotoserie über die Obdachlosen in seiner Heimatstadt Charkow, erhielt er den Kraszna-Krauzs-Buchpreis, in London wurde er am 1. März mit dem Citybank Prize ausgezeichnet, und nach Robert Frank, William Eggleston und Cindy Sherman wurde Boris Mikhailov letztes Jahr mit dem renommierten Hasselblad-Preis geehrt. Anlässlich der Preisvergabe erscheint nun beim Scalo Verlag Zürich der von Boris Mikhailov und Gunilla Knape herausgegebene, 68 Mark teure Band „Boris Mikhailov The Hasselblad Award 2000“. Er enthält die bislang unveröffentliche Fotoserie „The Dancers“, die der Fotograf Mitte der 80er-Jahre in Charkow aufgenommen hat. Anders als der vorangegangene Scalo-Band „Case History“ ist die Reportage über eine nachmittägliche Tanzveranstaltung im Freien von ungewöhnlicher Fröhlichkeit. Einfache Leute geben sich einem einfachen Vergnügen hin, und der Fotograf hat daran nichts auszusetzen. Im Gegenteil, er lässt sich von der simplen Eleganz seiner Protagonisten anstecken. Die offiziöse Sowjet-Ikonografie, die seine Bilder sonst gerne auf eine hinterhältige Weise mitliefern, scheint hier restlos verschwunden. An diesem Nachmittag bringen die Genossen und Genossinnen den Raum einer ideologisch geprägten Öffentlichkeit zum Verschwinden und die Verhältnisse zum Tanzen. wbg

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