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Ein Blick in die Zukunft

Beim Länderspiel gegen Norwegen setzt der bekannte Handball-Bundestrainer Heiner Brand eher unbekannte Spieler ein, die dann aber doch etwas überraschend mit 23:16 gewinnen

aus Rostock FRANK KETTERER

Manchmal scheint etwas Zurückhaltung durchaus angebracht. Die Menschen in der Rostocker Stadthalle jedenfalls wollten nicht gleich vor Entzückung ausflippen, nur weil da ein paar junge Burschen aufliefen, die sich als Handball-Nationalmannschaft ausgaben. Also haben die rund 4.000 eher höflich-kühl und etwas abwartend in die Hände geklatscht, als der Hallensprecher all die Jungspunde vorstellte, von denen ihnen viele doch ziemlich unbekannt gewesen sein dürften. Und etwas lauter ist es eigentlich nur am Schluss der Ansage geworden. „Begrüßen Sie nun unseren Bundestrainer Heiner Brand“, rief der Sprecher da ins Mikrofon – und als der Mann mit dem Seehundschnauzer sich erhob und in die Menge winkte, begleitete den Applaus beinahe schon ein Hauch von Euphorie. Ja, den Brand, den kennt man eben, und wenn der da ist, dann wird das schon auch die Handball-Nationalmannschaft sein da drunten auf dem Parkett, auch wenn dort Kerle mitspielen, die so unbekannte Namen tragen wie Makowka, Zeitz oder Hens.

Das mit der Zurückhaltung hat sich dann auch relativ bald erledigt, weil den Handballfreunden in der Rostocker Stadthalle doch recht schnell das Licht aufging, dass ihnen da keineswegs eine Mogelpackung mit der Aufschrift Nationalteam untergejubelt werden sollte, sondern vielmehr ein erster Blick gestattet mitten hinein in die Zukunft des deutschen Handballs. Der könnte durchaus Namen tragen wie Makowka, Zeitz oder Hens, und dass diese jungen Kerle schon jetzt Norwegen niederhalten können, freilich mit Hilfe von ein paar Ältergedienten und in einem Spiel aus Freundschaft, sorgte kurz vor Ende dann auch noch für richtig Begeisterung: Vor dem Schlusspfiff jedenfalls erhoben sich die Menschen und boten den Jungspunden ihre Ovationen gar stehend dar.

Heiner Brand, der Mann, den man schon vor der Partie kannte, nahm das wohlwollend zur Kenntnis, überbewerten wird er den 23:16-Sieg gegen Norwegen nicht. „Das Ergebnis steht nicht im Vordergrund“, sagte der Bundestrainer denn auch, schon weil die Partie für ihn von Anfang an zum einen „sehr viel Testcharakter“ besessen hatte, zum anderen aber keineswegs geplant war, gleich drei Nachwuchskräften ihre Premiere im Nationaltrikot zu schenken. Doch dann sagten Brand die Stammkräfte Stiebler, Rose und Bernau kurzfristig ab, für das Testspiel ohnehin nicht eingeplant waren der Magdeburger Stefan Kretzschmar sowie Christian Schwarzer vom FC Barcelona.

So kam es, dass am Sonntag vor dem Spiel Telefone klingelten – und zwar bei Maik Makowka, 21 Lenze jung und vor einem Jahr aus dem Rückraum des Büdelsdorfer TSV zu Bundesliga-Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt gewechselt und dort mit der Erfahrung von zwölf Bundesligapartien ausgestattet, Pascal Hens (21/SG Wallau-Massenheim) und dem 20-jährigen Christian Zeitz vom Zweitligisten TSV Baden Östringen. Die Nachricht: Sachen packen, ins Auto setzen, sofort nach Rostock kommen. „Ich wusste eigentlich nur, dass dort ein Länderspiel stattfindet“, erzählte hernach Maik Makowka, nur drei Trainingseinheiten später war er A-Nationalspieler. Dass Brand ihm sogar gleich so viel Vertrauen schenken und ihn würde spielen lassen, damit hatte der 21-Jährige natürlich „nicht im Traum gerechnet“; dass er, wenn es zum Einsatz kommen sollte, respektlos und frech auftreten wollte, hatte er sich hingegen fest vorgenommen: „Man muss da auch ein bisschen was riskieren, sonst wird man ausgewechselt.“

Makowka, dreifacher Torschütze, ist nicht ausgewechselt worden, jedenfalls nicht oft – und wenn, dann nur, um ein bisschen Luft holen zu können. „Er hat gute Ansätze gezeigt“, befand der Bundestrainer, für die beiden anderen Debütanten galt das nicht minder. Daraus allzu große Rückschlüsse zu ziehen, wäre dennoch verfrüht, was Brand erst gar nicht unerwähnt lassen möchte, etwa wenn er sagt: „Bis zur internationalen Klasse ist es noch ein weiter Weg.“ Dass Makowka, Hens und Zeitz demnächst auch eingeladen oder gar spielen werden, wenn es richtig zur Sache geht, Anfang Juni um die EM-Qualifikation gegen die Slowakei zum Beispiel, ist eher unwahrscheinlich.

Als Zeichen, die Zukunft des deutschen Handballs nicht prinzipiell „schwarz zu sehen“, dienen Brand die Jungen aber allemal. „Wir haben schon ein paar Perspektiven“, sagt der Weltmeister von einst, was lange Zeit nicht als selbstverständlich galt bei einer Liga, in der es nach wie vor chic ist, auf Kräfte aus dem Ausland zu setzen. Immerhin aber hat Brand seit einiger Zeit schon ein Umdenken bei manchen Vereinen ausgemacht, auch ihm selbst bietet dies ein Plus an Perspektive. Was nicht unerheblich sein dürfte, schon weil Brand bereits vor der WM Anfang des Jahres über die eigene Zukunft etwas lauter nachgedacht und Änderungen an seinen Arbeitsbedingungen angemahnt hatte. Ein Wink mit dem Scheunentor war das, den die Liga ganz offenbar verstanden hat. Auf jeden Fall bestimmte der Ligaausschuss just vor dem Länderspiel gegen Norwegen in Uwe Schwenker, dem Manager des THW Kiel, einen so genannten Verbindungsmann. Der war von Brand gefordert worden, quasi als direkter Draht zwischen Bundestrainer und Bundesligavereinen. „Uwe war selbst Spieler. Er kann meine Sorgen und Nöte verstehen. Und da wir beide kompromissbereite Typen sind, wird es bessere Lösungen geben“, glaubt Brand nun. Auch das hört sich durchaus optimistisch an.

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