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Sanieren heißt laut Duden „einen Krankheitsherd beseitigen“

■ Ein parteilicher Bericht vom Podium herab übers „Bündnis gegen Plattmachen“ in den Waller Kleingärten

Gut gefüllte Reihen im Kino 46. Sitzend geballte Liebenswürdigkeit in Aufruhr. Freundliche Gartenheimer und Baubudenbewohner, tatkräftige Parzellisten, mit jeder Art von Maulwurfvergrämung und Brennnesseljauche erfahrene Kleingärtner, paar Sozipäds und Kommunalpolitiker, lebensweise Querulanten und wohlwollende Nachbarn aus Walle, Gröpelingen und anderswo. Kann eine zeitgenössische Versammlung ansprechender zusammengesetzt sein?

Die BI Gartenwohnkultur (e.V.!) hat geladen, den Erhalt des Kaisenhausgebietes am Waller Fleet nachdrücklich einzufordern. „Sanieren“ will die senatorische Abrissunternehmerin Christine Wischer das Gebiet und die Gartenwohnkulturellen, sie haben es herausgefunden und verkünden am Mittwochabend öffentlich, was „sanieren“ laut Duden bedeutet: einen Krankheitsherd (operativ) beseitigen. Auch: „mit Manipulationen den bestmöglichen Gewinn aus einem Unternehmen (oder einer Position) herausholen, um sich dann zurückzuziehen“.

Die Parzellistas wissen, dass sie da oben noch ganz dicht sind und wollen sich nicht sanieren lassen von den staatlichen Desinfektoren der Ordnung. „Der Waller Fleet ist ein Ort für seltene und eigen-artige Exemplare von Menschen, Tieren und Pflanzen. Überzeugen Sie sich bei einem Sonntagsspaziergang.“ Gezeigt wird dazu der mut- wie sinnstiftende Film „Mit List und Spaten“ über die Kaisenbewohner, die sich in der Not der Nachkriegszeit eben nicht nur Behelfshäuser bauten, sondern auch ein soziales Biotop gestalteten, das Lebensqualität pur bedeutete und als dessen Alternative die offiziellen Pla-nungsversager die Wohnmaschinen des Bremer Ostens schufen, die nun tatsächlich zum baulichen und menschlichen Sanierungsgebiet wurden. Als von der Leinwand ein gestandener Gartenheimer seine Version von Legal/illegal/scheiß-egal formuliert: „Was man nicht genehmigt bekommt, das muss man eben einfach machen!“

Sie wollen einfach machen, so oder so. Daran lassen die Teilnehmer dieser Versammlung keinen Zweifel. Und begeistert wie mitgerissen vom Geiste dieses Abends nähern sich Jan und Jule dem Schreiber dieser Zeilen, nachdem er als Festredner in fröhlicher Militanz die Gartenzwerge und Maulwürfe unter lebhafter Zustimmung des Publikums zum gemeinsamen Bündnis gegen die Plattmacher aufforderte. Danken dem alten Sack für die wahren Worte und geben bei Apfelsaft aus Parzellistan und Pastetchen aus der Gartenwohnküche ihren Beschluss bekannt, „auf Parzelle“ zu wollen. Ob ich nicht wüsste, wo man sich was ausbauen könnte und eine Meldeanschrift bräuchten sie. Schnell. Es wird Zeit zum Säen und Pflanzen.

Ansonsten gibt es wohl bald mal wieder Gespräche am Runden Tisch. Wobei die Argumente für den Abriss im Vorhinein geschluckt werden sollen. „Das werden wir aber nicht tun!!“, heißt es in der Resolution aus dieser Veranstaltung. Schlicht und klar.

urdrü

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