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Polizei bereit für Schilys Millionen

■ Verkehrsbereitschaft der Bremer Polizei soll jetzt Bereitschaftspolizei spielen – damit der Bundesinnenminister seinen Anteil an Ausrüstung zahlt

In der Verkehrsbereitschaft der Bremer Polizei geht die Angst um. Die Beamten, die auf Verkehrskontrollen und die Aufnahme von besonders schweren Unfällen spezialisiert sind, fürchten, dass sie demnächst ihre Knochen auf Demonstrationen hinhalten müssen. Nazi-Demo in Vegesack, Castor-Transporte – manchem gestandenen Polizisten wird bei dem Gedanken an solche Termine ganz anders.

Grund für die Verunsicherung ist das Konzept zur Aufstockung der Bereitschaftspolizei (BePo), das Staatsrat Kuno Böse gestern in der Innendeputation vorgestellt hat. Im Zuge der Polizeireform war die Truppe in den letzten Jahren immer weiter ausgedünnt worden. Unter dem Motto „Mehr grün auf die Straße“ sollten statt gefüllter Polizeikasernen mehr Kontaktbereichsbeamte zum Einsatz kommen. Schließlich war die Stärke der BePo so weit abgesenkt worden, dass nur noch eine Hundertschaft zusammengestellt werden kann. Für das meist ruhige Bremen wäre das eigentlich auch genug, aber das Land kann damit seiner Pflicht nicht mehr nachkommen, Einheiten für Großeinsätze an andere Bundesländer abzustellen. Das ist nun in Berlin aufgeflogen, und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat gedroht, künftig seinen Kostenanteil an der BePo nicht mehr zu tragen. Für Fahrzeuge und Ausrüstung bezahlt der Bund derzeit 8,5 Millionen Mark im Jahr – ein Zuschuss, auf den das Haushaltsnotlageland nicht verzichten kann. Gleichzeitig ist an die Schaffung neuer Stellen für die BePo nicht zu denken.

Aber im Innenressort kam man auf eine kreative Lösung: Die 53 Beamten der Verkehrsbereitschaft sollen das Loch bei der BePo stopfen. Deshalb sollen die Verkehrsspezialisten in Zukunft schlicht „Bereitschaftspolizei“ heißen. Zusätzlich sollen bei der BePo bis zu acht Stellen frei werden, indem die Bewachung der Huckelrieder Kaserne an einen privaten Wachdienst vergeben wird, der vor allem mit Kameras arbeitet. Die verbleibende Lücke von rund 40 Stellen soll geschlossen werden, indem Polzeischüler länger bei der BePo bleiben. Dann kann Bremen formell wieder zwei Hundertschaften aufstellen, und die Bundesmittel fließen weiterhin.

In der Deputation nickten alle Fraktionen den Plan von Innensenator Bernt Schulte (CDU) ab. Deputationssprecher Hermann Kleen (SPD) äußerte die Hoffnung, „dass wir mit dieser Spagatregelung ohne Qualitätseinbußen davonkommen“. Ganz anders sieht das Dieter Oehlschläger, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei: Für ihn ist das Modell ein Taschenspielertrick, weil die betroffenen Kollegen weiterhin den Verkehrsdienst leisten sollen. Zwar habe der Chef der BePo schon angekündigt, im richtigen Leben auf den Einsatz der häufig nicht mehr ganz jungen KollegInnen zu verzichten. „Aber wer garantiert uns so was?“ fragt Oehlschläger. Wenn es eng werde, wären die Verkehrspolizisten doch schnell mit im „geschlossenen Einsatz“ einer BePo-Hundertschaft. Dann, so prognostiziert der Gewerkschafter, könnten schwere Unfälle nicht mehr qualifiziert aufgenommen werden.

Für Staatsrat Böse dagegen ist „ein echter Kompromiss gelungen – keine Mogelpackung“. Er räumt zwar ein, dass die Polizeischüler an anderer Stelle fehlen werden, aber „die 40 Stellen machen wir durch Schwerpunktsetzung verfügbar“. Außerdem sei der Vorschlag aus der Polizei selbst gekommen, sogar der Personalrat habe schon zugestimmt. Der scheidende Polizeipräsident Rolf Lüken habe lediglich „darum gebeten, angewiesen zu werden.“

Oehlschläger dagegen hat eine andere Version: „Bisher haben wir die Polizeireform unter großer Beteiligung durchgeführt“, aber nun sei vom Ressort eine rigide Spar-Lösung verordnet worden, die anderswo Lücken reiße. Damit sei die Reform gescheitert. „Da wundert es mich nicht, dass der Polizeipräsident keine Lust mehr hat und in den Ruhestand tritt.“

Jan Kahlcke

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