: Sitcom-Titelsongs und Verschrobenes
■ Der Soundtrack zu Frühling, Sommer, Herbst und Winter mit der Symbolik des Guten: Englands Underground-Superstar Badly Drawn Boy heute im Schlachthof
Die Geschichte des Damon Gough ist schnell erzählt: Aufgewachsen in einer britischen Kleinstadt formulierte er bald den Berufswunsch Singer/Songwriter. Nachdem er jahrelang in der elterlichen Druckerei zwischen lärmenden Maschinen Fragmente seiner eigenen Stücke mit dem Walkman gehört und weitergedacht hatte, zog er nach Manchester, wo er gemeinsam mit Andy Votel das Label Twisted Nerve gründete, auf dem Gough unter dem Namen Badly Drawn Boy seine ersten EPs veröffentlichte. Dann verwechselte noch Mark E. Smith Goughs Auto mit einem Taxi, woraufhin der ihn erpresste und so zwang, einen seiner Songs aufzunehmen. Und schließlich erschien auf dem UNKLE-Album von James Lavelle und DJ Shadow sein Song „Nursery Rhyme“, er bekam einen Plattenvertrag und musste seinen komischen Namen behalten, weil ihn darunter plötzlich jeder kannte.
Vergangenen Sommer erschien seine erste LP The Hour of Bewilderbeast – in bester Bricolage-Manier bedient sich Gough dort aus dem riesigen Bestand der Popmusik. Er nennt das „Future-Folk“ und lässt leichthändig Disco-Nummern als Folk-Songs enden, stellt Vogelgezwitscher neben Raketen-Geräusche und klaut sogar bei Grunge-Dinosauriern wie Alice in Chains. Manches Stück würde auch als Titelsong einer Sitcom taugen.
Warum das gut ist? Weil der Sound am Ende gefällt. Und dennoch schrammt er auf The Hour of Bewilderbeast ständig am Hit vorbei. Er singt vom Camping und davon, in den Wind zu pissen – aber um am Lagerfeuer gesungen zu werden oder auf der nächsten Pfadfinder-Hits Vol. X aufzutauchen, taugt das glücklicherweise gar nicht.
In England ist Gough längst Popstar. Er schafft mit der Symbolik des Guten den Soundtrack zum Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und seine Verschrobenheit bewegt sich in einem konsensfähigen Maß. Man möchte ihm nicht nur seine Geschichte mit Mark E. Smith glauben, sondern gerne auch was er in seinen Videos erzählt: Etwa wie er zwei ziemlich hässliche Teenager, deren Zahnspangen sich beim Knutschen verhakt haben, auf der Straße aufsammelt und ins Krankenhaus fährt.
Vergangene Woche hat er das Bild des charming man allerdings ins Wanken gebracht: Beim Konzert in Kopenhagen ist er angeblich völlig betrunken mit einer ebenso betrunkenen Band direkt aus der Kneipe auf die Bühne gekommen, hat nur Unfug geredet und eine brennende Zigarette ins Publikum geworfen, als ihm einer dumm kam. Als er dann doch singen wollte, hatte er den Text vergessen.
Meike Fries
heute, 21 Uhr, Schlachthof
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