: Der einzig männliche Frauenfilmer
„Da waren so viele Mauern, da war nix mit Nähe. Nur purer Sex“: Carl Andersens „Märchen von der Liebe“
Die etwa 8 Paare sind so aufgenommen, als würden sie sich gegenseitig erzählen, warum es zwischen ihnen nicht geklappt hat. Dazwischen hat der Regisseur noch kurze Sequenzen aus einem vermeintlichen Amateurporno geschnitten, der damit endet, dass die weibliche Darstellerin endlos den auf sie gespritzten Samen ihres „Partners“, der zugleich Kameramann ist, wegwischt.
Wir sind zwar seit „Mein Essen mit André“ einiges an gefilmten Beziehungsgesprächen gewohnt, aber die 60-Minuten-Länge des Films von Carl Andersen ist gerade richtig. Irgendjemand hat ihn mal als „einzig männlichen Frauenfilmer“ bezeichnet – dabei gibt es unter den Regisseuren gar keine anderen.
Dennoch ist es wahr, dass in seinem Film die lesbischen Pärchenprobleme überwiegen. Da sagt die eine: „Es war ein Spiel – und wurde mir irgendwann zu viel.“ Und die andere – „Katja, 25, Kellnerin“ – sagt: „Da waren so viele Mauern, da war nix mit Nähe. Nur purer Sex ohne Bedeutung, das hat uns nicht weitergebracht ...“
In einer anderen Beziehung sagt eine Verkäuferin: „Ich habe manchmal gerne gekocht für sie.“ Und ihre Freundin, eine Steuergehilfin, meint dazu: „Irgendwann wurde es zu viel: Immer war sie fröhlich, immer lächelte sie. Das hat mich wahnsinnig gemacht!“
Weil das alles nicht besonders erkenntnisheischend ist und der Regisseur auch sonst keine Fragen stellt, hat er neben den Slapstick-artigen Pornoeinlagen noch einen kleinen Witz parat: Die oben erwähnte sanfte, weibliche Katja entpuppt sich bei ihrer nächsten Beziehung – zu einem jungen Mann –als durchaus dominant. Er sagt über sie: „Ich dachte, das ist eine Frau, die weiß was sie will ...Und natürlich pass ich mich da auch an dich an.“ Und sie sagt bloß: „Deine Schwäche war lächerlich.“
Vielleicht erkennt man daran schon, dass die jungen Menschen ihre sozialen Positionen erst ausprobieren. Aber auch, dass sie sich dabei vor Verfilmungen hüten müssen: Eines der Beziehungsgespräche wird von einer älteren Schauspielerin und ihrem jungen Freund geführt, den sie enttäuscht hat: „Ihre Sinnlichkeit kam nur im Film vor, nicht im Leben, wo sie nicht zu ihrem Altern stehen konnte – und sich in die Vergangenheit flüchtete, wie toll sie da war.“ Sie entgegnet: „Ich war von meiner Attraktivität nicht mehr überzeugt – um einen jüngeren Mann auch noch halten zu können. Deswegen habe ich die Beziehung abgebrochen – damit es ein Traum bleibt.“ HELMUT HÖGE
„Andersens Märchen von der Liebe“, BRD 2001, 60 Minuten, Farbe, Regie und Kamera: Carl Andersen, Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3. Ab heute bis 4. April, jeweils 22 Uhr 15
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