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Zickige Börsen

Niedrigere Zinsen beleben die Konjunktur nicht automatisch. Aktienkurse reagieren unterschiedlich

BERLIN taz ■ Billigere Kredite sollen in den USA und in Japan die Wirtschaft wieder ankurbeln. In den USA senkte die Zentralbank Fed ihren Leitzinssatz erneut um einen halben Prozentpunkt auf fünf Prozent. In Japan beträgt der Leitzins seit Montag null. Nur die Europäische Zentralbank hat bislang die Zinsen nicht gesenkt.

Von niedrigeren Zinsen erhoffen sich die Zentralbanker mehr Investitionen und eine Entlastung der privaten Haushalte. Vor allem junge Familien, die gerade ein Haus oder eine Wohnung erworben haben und daher hoch verschuldet sind, profitieren von Zinssenkungen. Doch eine Senkung der Leitzinsen reicht dafür nicht aus. Denn nur der Theorie zufolge orientieren sich die Geschäftsbanken bei der Festlegung ihrer Zinsen immer am Leitzins, zu dem sie selbst sich bei der Zentralbank mit Kapital ausstatten. „In der Praxis sieht es so aus, dass die Filialen bestimmte Spielräume haben“, räumt Volker Nitsch, Volkswirt bei der Berliner Bankgesellschaft, ein. Je nachdem, wie viele ihrer Kredite als unsicher gelten und wie flüssig sie gerade sind, könne es durchaus sein, dass die Zentralbank den Leitzins senkt, die Geschäftsbanken ihren Kreditzins aber unverändert lassen.

Und selbst billigere Kredite helfen der Konjunktur nicht von selbst auf die Beine. Nitsch: „Wenn es um Investitionen geht, spielt nicht nur die Zinshöhe eine Rolle, sondern auch die Zukunftserwartung.“ Wer sich seines Arbeitsplatzes wegen der schlechten Wirtschaftslage nicht sicher ist, nimmt keinen sechsstelligen Kredit zum Häuslebauen auf – auch wenn die Zinsen noch so günstig sind.

Auf die jüngsten Zinssenkungen reagierten zunächst die Börsianer: In Japan kauften sie Aktien, was das Zeug hielt, und trieben den Nikkei-Index gestern Morgen um mehr als 900 auf 13.104 Punkte nach oben. Ganz im Sinne der Regierung, denn auch höhere Aktienkurse können die Konjunktur beleben, weil sie Reichtum vorgaukeln – wenn auch nur auf dem Papier. In den USA hingegen stürzten die Aktien weiter in den Keller: Der Dow Jones Index verlor innerhalb von Stunden 2,4 Prozent, der Nasdaq 4,8 Prozent. Dies liege daran, dass viele Börsianer auf eine noch deutlichere Zinssenkung gehofft hätten, beeilten sich die Analysten zu erklären. Wahrscheinlicher ist indes, dass vielen Amerikanern der Appetit auf Aktien vergangen ist und es derzeit um Schadensbegrenzung geht – also sparen und den Kontostand wieder in den schwarzen Bereich bringen.

Die deutschen Börsen schlossen sich gestern wieder einmal den amerikanischen an. Auch hier haben die Aktionäre erkannt, dass die Börsen „keine Wundermaschinen zur Geldvermehrung“ sind, sondern letztendlich doch an Fundamentaldaten wie Firmengewinnen hängen, meint Peter Bofinger, Professor für Finanzwirtschaft an der Uni Würzburg. Die Gewinne wiederum haben mit der Wirtschaftsprognose zu tun. Und die sieht eben doch nicht mehr so rosig aus wie noch vor einigen Monaten. KATHARINA KOUFEN

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