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Nicht mehr um jeden Preis siegen

■ Erfahrungsaustausch zum „neuen“ Kindschaftsrecht – beteiligte Berufsgruppen fordern mehr Kooperation

Anlässlich eines Workshops des Amtes für Soziale Dienste und der Richter- und Anwaltschaft in Bremen tauschten gestern knapp 100 RechtsanwältInnen, RichterInnen und SozialarbeiterInnen an der Universität zum Thema „Gemeinsame Sorge um jeden Preis?“ ihre bisherigen Erfahrungen zum neuen Sorgerechtsgesetz aus und entwickelten neue Perspektiven für ihre gemeinsame Arbeit.

Durch die Reform des Kindschaftsrechts am 1. Juli 1998 wurde vor allem das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall angesetzt – zur Stärkung der elterlichen Autonomie gegenüber staatlicher Reglementierung. Kinder sollen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Das Gesetz gilt auch für uneheliche Kinder Zudem soll eine beratende Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe den juristische Eingriff ersetzen.

Vorträge zu Beginn der Veranstaltung schilderten die derzeitige Situation in Bremen. Auch die Auswirkungen des neuen Rechts auf Eltern und Kinder wurden anhand Befragungsergebnissen dargestellt. Im anschließenden Workshop wandten sich die Fachleute praktischen Problemen zu. Fragen zur kooperativen Ausgestaltung des Gesetzes wurden erörtert, die Sicherstellung des Kindeswohls gefordert und die neuen Instrumentarien der „Verfahrenspflegschaft“ und des „begleiteten Umgangs“ diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit erlangten die Arbeitsgruppen, bei denen die Beratungstätigkeit im Vordergrund stand. Zwar erschienen hauptsächlich RechtsanwältInnen auf der Fachtagung, die Message hieß aber: Die „Kommunikation zwischen den am Prozess Beteiligten“ müsse verbessert werden – Vernetzung ist angesagt. So ließen sich dann JuristInnen geduldig von Sozialarbeitern erklären, mit welchen personellen Problemen diese in ihren Beratungsstellen zu kämpfen hätten. Die RechtsanwältInnen der Eltern wiederum wiesen auf ihre Solidarität zum Mandanten hin – am Sorgerecht hingen auch materielle Werte, die Wohnung zum Beispiel. Auch gegenseitige Verständnisbekundungen änderten nichts an den grundsätzlichen strukturellen Konflikten, denen nur mit klarer Aufgaben- und Kompetenzverteilung beizukommen sei. Hier könnte die Installation eines „Fachdienstes“ des Jugendamtes Abhilfe schaffen. Einigkeit herrschte ebenfalls in der Forderung nach „Qualitätsstandards“, die die korrekte Ausführung des gesetzlichen Auftrags wahren sollen – kurz: professionelle Hilfe können nur ausgebildete BeraterInnen leisten.

Auch die Ergebnisrunde der Arbeitsgruppen forderte einhellig mehr Kommunikation und Kooperation – nicht nur zwischen den Eltern, sondern auch zwischen einzelnen Instanzenvertretern. Wichtig sei eine prozessorientierte, qualifizierte Arbeit, die das Wohl des Kindes möglichst frühzeitig schützen und berücksichtigen müsse.

Heino Kunstleben vom Amt für Soziale Dienste geht mit einem guten Gefühl nach Hause. Es sei zwar schwierig, die beteiligten Arbeitsbereiche zu verknüpfen, aber aben nicht unmöglich. Der Workshop habe zu mehr Transparenz und Verständnis geführt, die Erwartungen an die Leistungen des Anderen seien durch den Einblick in deren tägliche Arbeit verändert worden. Damit könne man auch der Zielgruppe, um die es letzendlich gehe – die Familie – ein optimales Angebot an professioneller Beratung und Hilfestellung bieten.

Dagmar Bertram

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