die stimme der kritik
: Betr.: Nationalsprachstolz der Unions-Elite

Einer der größten Unsinne

„Es gibt viele Gründe, stolz auf Deutschland zu sein.“ Stolzer als Bundespräsident Johannes Rau ist jedenfalls die rheinland-pfälzische Plakat-Union. Und am stolzesten sind Bild-Leser: Auf unsere schöne deutsche Landschaft. Stolz auf deutsche Autos. Und auf Schumi erst! Oder Beethoven. Schön klingt auch die deutsche Sprache, ermittelte Bild. Ist das nicht wie Musik im stolzen deutschen Ohr: „Jetzt reicht’s! Trittin beleidigt ganz Deutschland. Die SPD schaut zu.“ Astreines Deutsch zumindest ist dieses Mal die Sprache der CDU-Wahlwerbung. Doch stimmt das nicht immer. Das CDU-Deutsch ist momentan schwer gefährdet, wie auch das übrige aufgestolzte Sprachgut: Bedrohliche Wörter dringen ein aus dem Land, wo die Seuchen blühen. Erst BSE, dann Maul- und Klauenseuche – und nun die englische Mundfäule. Die Sprache Goethes: verhunzt von Events, Downloads, T-Shirts und City-Guides. Und von Friedrich Merz. Ungeniert nimmt auch er den „Skinhead“ in den Mund. Mit Political Correctness verluderte er kürzlich das reine Deutsch. Und seine Kollegin Angela Merkel hat Sprechen auf dem heimischen Postamt gelernt und sich dort eine Vorsilbenschwäche eingehandelt: „Trittin hat jeden, der sich zu unserem Land bekennt, zum Rechtsextremen gestempelt.“ Dafür fordert sie alternativ-alliterativ den „Aufstand der Anständigen“.

Woraufhin Merz wiederum verlangt, bloß mit der Entlassung Trittins könne die „politische Hygiene“ wieder hergestellt werden, weil er ein „Risiko für Deutschland“ darstelle. Hygiene? Risiko? Fließend urdeutsch spricht Merz nicht gerade. Selbst nicht, wenn er von Frau Merkel schwärmt: „Wir lassen uns nicht auseinander dividieren.“ Mr. Merz, wozu haben wir eigentlich mühsam das Deutsch des 20. Jahrhunderts gelernt, wenn jetzt wieder die Antike bemüht wird? Noch dazu tautologisch? Oder doppelt gemoppelt, wie der Deutsche so elegant sagt.

Dabei forderte ausgerechnet der Leitkulturelle Friedrich Merz, dass ausländische Mitbürger unbedingt „die deutsche Sprache beherrschen müssen“. Und verliert prompt selbst die Beherrschung. Wie sollen Ausländer angesichts dieser grassierenden Dyslalie anständig reden lernen? „Das ist einer der größten Unsinne, die ich je gehört habe“, pluralisierte Edmund Stoiber waghalsig. Wäre der merzialische Sprachverordner wenigstens einmal konsequent, müsste Stoibers Ausbürgerungsantrag eigentlich bereits gestellt sein. JUTTA HEESS