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Langes Werben für schlechte Kandidaten

Die Nicaraguaner müssen mehr als sieben Monate Wahlkampf ertragen, bis sie sich im November für einen neuen Präsidenten entscheiden. Das Rennen um die Macht ist so offen, wie die Kandidaten unattraktiv sind

MANAGUA taz ■ Die armen Nicaraguaner. Erst in gut sieben Monaten müssen sie einen neuen Präsidenten wählen, aber schon heute werden sie mit Propaganda berieselt. Die Parteien haben damit begonnen, Transparente über die Straßen der Haupstadt Managua zu spannen. In den Werbeblocks während der allabendlichen Seifenopern im Fernsehen lächeln die Kandidaten. Meist haben sie ein Kind auf dem Arm. So früh wie in diesem Jahr hat der Wahlkampf in Nicaragua noch nie begonnen.

Der frühe Werbefeldzug hat seinen Grund: Die drei Männer, die sich Anfang November um den Präsidentensessel streiten werden, sind den Wählern nur schwer zu verkaufen. Da tritt ein schon ziemlich tatteriger Greis gegen einen ausgemachten Langweiler und einen abgehalfterten Macho an. Das Rennen ist so offen wie nie.

Der tatterige Greis ist Enrique Bolaños, Kandidat der regierenden Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) und heute Vizepräsident hinter Arnoldo Aleman. Der selbstsüchtige und poltrige Aleman hat seinen Stellvertreter die ganzen Jahre in den Schatten gestellt. Er durfte höchstens einmal eine neue Filiale von McDonald’s einweihen. Aber weil alle anderen Figuren in der Partei noch blasser sind, muss nun der bald 80-jährige Bolaños antreten. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn zur notorischen Korruption der Regierung Aleman kommen in den nächsten Monaten noch Massenentlassungen im Staatsapparat.

Der Langweiler ist Noel Vidaurre von der Konservativen Partei (PC). Er hatte schon Angst, dass sich Liberale und Konservative auf die Expräsidentin Violeta Chamorro als gemeinsame Kandidatin einigen. Die noch immer beliebte Mutter der Nation würde die Wahl sicher gewinnen. Doch die alte Dame will nicht mehr.

Auch von einem Zweiten drohte Vidaurre Ungemach: Der populistische Unternehmer Pedro Solórzano hatte ebenfalls Ambitionen. Er ist beim einfachen Volk wegen eines von ihm veranstalteten Pferderennens beliebt und wurde noch beliebter, als ihn Aleman im vergangenen Jahr mit schmutzigen Tricks von der Bürgermeisterwahl in Managua ausschloss.

Doch der farblose Parteisoldat Vidaurre hat die Funktionärsriege der PC fest im Griff und machte das Rennen. Solórzano hat sich deshalb mit Aleman versöhnt und strebt nun die Vizepräsidentschaft hinter Bolaños an. Parteien und Programme spielen keine Rolle. Die Hauptsache ist, ein Stückchen von der Macht abzubekommen.

Allein um die Macht geht es auch dem dritten Kandidaten: Daniel Ortega, von 1984 bis 1990 schon einmal Präsident und seit über 20 Jahren Chef der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN). Zwei Präsidentschaftswahlen hat er schon verloren. Und viele Anhänger inzwischen auch. Vorwürfe gegen ihn gibt es genügend: Er habe sich vor dem Regierungswechsel von 1990 noch schnell bereichert. Er habe seine Stieftochter jahrelang sexuell missbraucht. Er habe sich längst vom Sandinismus verabschiedet.

Solche Kritik kommt nicht nur vom politischen Gegner, sondern auch von gestandenen Sandinisten wie Victor Manuel Tirado. Er ist einer der letzten historischen Comandantes der Sandinisten, deren Bild in der Öffentlichkeit noch nicht von einem Skandal getrübt ist.

Selbst Ortegas Bruder Humberto, einst Chefstratege der FSLN-Guerilla und nach der Revolution später Jahre lang Verteidigungsminister, ruft öffentlich dazu auf, diesmal nicht die Sandinisten zu wählen. Sein Bruder Daniel sei eine Katastrophe für Nicaragua. Doch nach Jahrzehnten an der Spitze der FSLN hat sich Daniel Ortega einen ihm hörigen Führungszirkel geschaffen, der ihn vor jeglicher Kritik abschirmt. Selbst die parteiinterne Vorwahl wurde so manipuliert, dass Ortega am Ende wie der strahlende Sieger dastand.

In den Umfragen führt der Obersandinist mit knapp über 30 Prozent. Ihm folgt Bolaños mit gut 27 Prozent, und auch Vidaurre kommt über die Zwanziger-Marke. Erreicht kein Kandiat im ersten Wahlgang mehr als 35 Prozent, kommt es zur Stichwahl. Auf Anhieb gewinnen kann nur, wer genügend kleine Parteien hinter sich schart.

Da gibt es schon jetzt ein munteres Buhlen. Liberale und Konservative streiten sich um die Überbleibsel der einst von den USA finanzierten antisandinistischen Contra. Die Konservativen versuchen, sich liberale Abspaltungen einzuverleiben. Die Sandinisten bemühen sich um konservative Dissidenten und selbst um evangelikale Christen. Was soll’s? Autoritär sind sie schließlich beide. Die Wähler werden derweil gnadenlos mit Propaganda berieselt. Bis zum Wahltag im November.

TONI KEPPELER

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