Der angesagteste Club Deutschlands

Im Berliner Nachtleben hatte dieser Club keine Chance: Wäre alles so gelaufen wie geplant, dann wäre Tak-Win Lam inzwischen vielleicht schon ein Star. Nachdem aber RTL 2 die Reality Soap „To Club“ schon nach drei Wochen eingestellt hat, arbeitet er wieder im Chinarestaurant seiner Eltern. Ein Porträt

von KIRSTEN KÜPPERS

Er hatte nicht nur seine berühmten 15 Minuten. Nein, er war 15 Tage lang im Fernsehen. Das ist mehr Sendezeit als andere Menschen in einem ganzen Leben erhalten. Tatsächlich sind 15 Tage jedoch für einen Kandidaten einer Reality-Soap fast nichts, ein kleines Flackern vielleicht, eine Anekdote für Verwandte und die Freundin. Mehr nicht. Jetzt arbeitet der 22-jährige Tak-Win Lam wie vorher wieder im Chinarestaurant seiner Eltern in Spandau. Er steht er dort hinterm Tresen, begrüßt die Gäste, kauft Lebensmittel für die Küche ein, wischt die Tische ab oder putzt die Toiletten. Sein Zwischenspiel bei RTL 2 hat daran vorerst nichts geändert. Etwas mehr als ein Monat ist jetzt vergangen, seit der Privatsender sein Reality-Format „To Club“ eingestellt hat.

Wäre indes alles so gelaufen wie geplant, dann könnte man Tak-Win Lam immer noch jeden Tag im Fernsehen sehen: Tak-Win beim Herumtollen mit den anderen Kandidaten, Tak-Win beim Cola trinken, Tak-Win beim Dösen im Schlafsack. Vielleicht hätten die Fernsehkameras sogar gefilmt, wie er Ende April als Publikumsliebling mit 100.000 Mark lachend nach Hause kommt, Blumensträuße in der Hand und begleitet von einer großen Gruppe verliebter Fans.

Doch die Quoten waren zu schlecht. Nach nur knapp drei Wochen auf Sendung kamen zwei verlegene Angestellte der Produktionsfirma Mitte Februar zu den 12 Kandidaten in den Clubcontainer und erklärten ihnen betreten, dass jetzt doch plötzlich alles vorbei sei. Sie könnten heimgehen. Weil ihnen nämlich keiner zugucke bei ihren Pyjamapartys, ihren Schmusereien auf der Couch und den kleinen Streits. Einige Kandidaten haben daraufhin geweint. Manche von ihnen haben gesagt, dass die Maschinen, die die Quoten errechnen, bei den falschen Leuten zählten. Sehr traurig sei die Stimmung gewesen, erzählt Tak-Win Lam. Er hat sich inzwischen mit dem Machtwort von RTL 2 arrangiert. „Die Entscheidung war auf keinen Fall falsch vom Sender“, sagt er heute. Schuld am Scheitern von „To Club“ sei vielmehr gewesen, dass damals zu viele Reality-Formate gleichzeitig im Fernsehen zu sehen waren. Fünf derartige Sendungen hätten sich im Februar gegenseitig Konkurrenz gemacht. „Da kann sich doch kein Zuschauer entscheiden!“, findet Tak-Win. Etwas nervös schiebt er sein Handy auf dem Tisch hin und her. Für das Interview hat er sich das Mövenpick-Restaurant am Ku’damm ausgesucht.

Vielleicht war bei „To Club“ auch einfach die Aufgabe zu schwer. Denn für die Serie hatten die Kandidaten in Berlin eine Diskothek aufbauen müssen. Laut Pressetext sollte daraus „der angesagteste Club Deutschlands“ werden. Dafür hatte RTL 2 ein altes Wasserwerk gegenüber dem Ostbahnhof gemietet und es zum Club mit angeschlossenem Wohntrakt umbauen lassen. 50 Kameras und 40 Mikrofone waren installiert worden. Die Kandidaten mussten DJs buchen, Getränke bestellen, die Gäste bedienen und aufräumen. Bis zum 17. Februar war gemäß bekanntem Prinzip, fünfmal die Woche ein Zusammenschnitt des Clublebens abends auf RTL 2 gezeigt worden. Alle zwei Wochen sollten die Zuschauer einen Kandidaten abwählen. Allerdings sollte der RTL 2-Werbespruch „Das ist keine 80er-Jahre-Landdisko, hier tanzt die Hauptstadt“ nicht Wahrheit werden. Denn Publikum blieb dem Club fern. Und das obwohl überall in der Stadt Plakate für die Diskothek warben, die Kandidaten Handzettel auf dem Alexanderplatz verteilten, teure DJs einkauften und ihre Fernsehzuschauer beharrlich drängelten, vorbeizukommen. So konnten denn auch die Kameras von RTL 2 meist wenig mehr als eine leere Halle mit angestrengt lustigen Kandidaten zeigen. Der Sender war unzufrieden. Auf der Abschiedsparty am letzten Abend waren dann irgendwann alle betrunken, sagt Tak-Win Lam. Das Preisgeld wurde unter den Kandidaten aufgeteilt.

Das alles scheint zu kurz und bedrückend, um tatsächlich ein Ereignis im kollektiven Fernsehgedächtnis zu werden. Trotzdem ist Tak-Win Lam dank der Serie bisweilen für Augenblicke ein Star. Für die mitfühlenden Stammkunden des Spandauer Chinarestaurants zum Beispiel. Oder für die schüchternen Teenager, die ihm auf der Straße hinterhergucken. Einmal hat er auch in der VIP-Lounge einer Diskothek, in die er jetzt ohne weiteres rein kommt, Dieter Bohlen getroffen, erzählt er.

Es sind wohl diese Momente, die bewirken, dass Tak-Win Lam weitermachen möchte in der Fernsehwelt. „Ich will Videojockey werden, am liebsten bei Viva“, sagt er. Seit dem Stop von „To Club“ geht Tak-Win Lam deswegen zu Casting-Terminen, verschickt Videobänder und gibt Interviews bei privaten Radiosendern. Die Produktionsfirma MME organisiert das für ihn. Schließlich stehen die „To Club“-Kandidaten dort noch ein Jahr lang unter Vertrag. Und „aus Tak-Win wird bestimmt noch mal was“, heißt es einhellig bei MME. Er habe so ein „gewinnendes Wesen“.

Immerhin kann das die Produktionsfirma nicht von allen Kandidaten behaupten. „Viele werden in ihr normales Leben zurückmüssen“, hatte die zuständige Mitarbeiterin vorher am Telefon erklärt. Wegen des mangelnden Bekanntheitsgrads sei es „sehr schwierig“ Folgeaufträge zu bekommen. „Das bewegt sich alles in einem zurückhaltenden Rahmen. Natürlich ist das ungerecht“, hatte sie hinzugefügt. Auch die Produktionsfirma hat sich das alles wohl lukrativer vorgestellt.

Tatsächlich schien Tak-Win Lam schon im „To-Club“-Container von allen Kandidaten der Sympathischste zu sein. Statt wie die anderen vor der Kamera zu strippen oder das trostlose Für und Wider von Fettabsaugoperationen durchzudiskutieren, kochte Tak-Win lieber still Spätzle und Schnitzel für seine Mitbewohner. Nach einer Rauferei im Schnee war er es, der einen Gipsverband davon trug. Und den leeren Club wollte er nicht mit Gogo-Tänzern, sondern mit Modeschauen und Tiervorführungen voll werden lassen. Auch an diesem Tag wirkt Tak-Win Lam sehr vorsichtig. Er möchte nichts Falsches sagen. Deswegen lächelt er viel, betont, dass er sportlich sei, wiederholt immer wieder: „Ich werde Videojockey.“ Notfalls würde er dafür auch nach Hongkong gehen, der Heimat seiner Eltern, meint er. Das klingt sehr entschlossen. Von der lauten Stimme aufgeschreckt, guckt ein Familienvater vom Nachbartisch herüber.