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Der Ausputzer von Hollywood

In seinen Filmrollen verkörpert Denzel Washington den US-Traum von der multiethnischen Nation. Meistens als autoritätsfixierter Patriot – wie in Jerry Bruckheimers Sportdrama „Gegen jede Regel“

von ANDREAS BUSCHE

In einem kann man sich bei Denzel-Washington-Filmen immer sicher sein: Am Ende wird alles gut. Washington ist der schwarze Ausputzer, der ran muss, wenn’s hart auf hart kommt. Das US-Gemeinwesen ist ihm eine Herzensangelegenheit, diese Rolle hat er in allen Variationen immer wieder durchgespielt. Und Hollywood hat ihm für diese Mission seinen Segen erteilt, weil es ohne Identifikationsfigur nach Art von Sidney Poitier nicht auskommen kann. Dafür jedoch muss sich um Washingtons Figuren herum immer erst ein familiäres Modell konstituieren, eine afroamerikanische Solidargemeinschaft, die sich in der Welt der Weißen auf ihr kulturelles Vermächtnis besinnen kann, gleichzeitig aber auch als Brückenkopf in die weiße Mittelklasse fungiert.

„Gegen alle Regeln“ reproduziert dieses Schema bis an die Schmerzgrenze. Die Ankündigung, der Film beruhe „auf wahren Begebenheiten“, ist das Menetekel, das über einigen seiner ambitioniertesten Projekte steht („Cry Freedom“, „Malcolm X“, „Hurricane“); für Washington scheint sie wie eine Bestätigung, das da draußen noch viel getan werden muss. Und Washington ist in einer privilegierten Position: Eine Geschichte des Leidens und des Unrechts ist seiner Hautfarbe eingeschrieben.

Erträglich wird sie erst, weil Washington (und seine Figuren) den Status quo anerkennen: Sie sind gut aussehend, smart und vor allem erfolgreich. „Gegen alle Regeln“ bedient das offensichtlichste schwarze Erfolgsmodells, den Sport, und findet in der jüngeren Geschichte Amerikas den passenden Rahmen: 1971 beschloss das Kultusministerium von Virginia die folgenreiche Zusammenlegung einer schwarzen und einer weißen Schule in der Kleinstadt Alexandria.

Washington ist der Football-Lehrer Herman Boone, der mit seiner Familie in den Ort versetzt wird, um das College-Team „Titans“ zusammen mit dem amtierenden Cheftrainer Bill Yoast zu leiten. Als das Ministerium mit Boone den neuen Chefcoach installiert, treten die weißen Spieler in einen Streik. Zwar kann Boone Yoast überreden, sich mit dem Posten des Co-Trainers zu begnügen und seine Jungs zur Teilnahme zu bewegen, aber der Rassismus innerhalb des Teams bleibt unverhohlen. Erst das sommerliche Trainingslager flößt der Mannschaft den nötigen Korpsgeist ein, der „Schwarz und Weiß“ zu Freunden macht und den „Titans“ schließlich den nationalen Titel bringt.

Wenn Spike Lee kürzlich auf der Berlinale-Pressekonferenz zu seinem neuen Film „Bamboozled“ feststellte, dass sich die Rolle der Schwarzen im US-Fernsehen heute nur unwesentlich von der vor 50 Jahren unterscheidet, hat er damit indirekt auch das Problem Denzel Washington erfasst. Washington hat in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie heute so etwas wie eine Alibifunktion – seine rationale Blackness gibt ein erstrebenswertes schwarzes Lebensmodell vor. Darin unterscheidet er sich zwar nicht von Kollegen wie Eddie Murphy, Will Smith oder Whoopi Goldberg. Aber er suggeriert mit der Wahl seiner Rollen immer wieder die Redlichkeit dieses schwarzen Lifestyles. Washingtons Boone ist ein autoritärer Schleifer, der genau in dieser Unerbittlichkeit seinen Erfolg sucht. Wer ihn diesen Darwinismus gelehrt hat, steht außer Frage, erstaunlich ist nur, wie unreflektiert der Schauspieler diese Prämisse in fast allen seinen Filmen durchexerziert. Washington sucht in seinen Rollen unabdingbar die Nähe zur Autorität, seine Figuren haben einen Hang zu Uniformen und Institutionen, sei es das Militär (in „Ausnahmezustand“, „Crimson Tide“ und „Mut zur Wahrheit“), die Polizei („Ricochet“, „Virtuosity“, „Der Knochenjäger“) oder die Gerichtsbarkeit („Philadelphia“ oder „Ricochet“).

Das Erste, was Boone als Trainer tut, ist, die Kabine der Mannschaft mit markigen Schrifttafeln zu tapezieren: „Spiel wie ein Champion.“ Oder: „Lass deine Furcht zurück.“ Dazu spielt Washington den Drillseargent mit Herz, der seine rüden „Full Metal Jacket“-Exerziten als alleiniges Geheimnis seines Erfolgs preist. In Washingtons Filmen ist der amerikanische Traum (für Afroamerikaner) immer zum Greifen nah, weil hier symbolische Siege auf Nebenschauplätzen (dem Sportplatz, im Gerichtssaal, im Black/White-Buddy Movie etc.) als gesellschaftliche Übereinkunft mit der herrschenden politischen Klasse verkauft werden können.

Dabei ist Washington nur die Garantieklausel im liberalen Kontrakt des bürgerlichen Amerikas, zu dem er selbst gehört. Als Mittelklasse-Sohn eines Predigers und einer Kosmetikerin absolvierte er ein Studium an der Fordham-Universität, bevor er ans American Conservatory Theater in San Francisco ging. Das typische Denzel-Washington-Feel-Good-Movie ist damit nicht mehr als eine ideologische Seifenblase. Eine Mischung aus Streetknowledge und Autoritätsgläubigkeit steckt in fast allen Figuren Washingtons. Es ist ein konsensfähiges Rollenmodell, das seine Akzeptanz vor allem durch den großen Erfolg bei einem weißen Publikum begründet. Die immanente Systemkritik, für die fast alle seine Figuren stehen, überschreitet ein tolerables Maß nie und kolportiert das Gefühl einer inneren, auch nationalen Selbstsicherheit, mit der sich bequem fortexistieren lässt.

Es ist keineswegs so, dass Jerry Bruckheimer, wie er meint, mit „Gegen jede Regel“ einen „kleinen, provozierenden Film“ produziert hat. Im Gegenteil gehört er zu den Filmen, die Amerika für seine politische Befindlichkeit braucht. Denn letztlich ist Washington vor allem ein schwarzes Role Model der weißen Kinogänger. Und genau darum kann Bruckheimer in „Gegen jede Regel“ auch die emotional überhöhten, schwarz-weißen Verbrüderungsszenen auf dem Sportplatz mit derselben bombastischen Pathossuppe von Musik unterlegen wie den großen patriotischen Endsieg in „The Rock“ oder seinem kommenden Blut-und-Ehre-Epos „Pearl Harbour“: Es ist alles nur fürs Vaterland.

„Gegen jede Regel“. Regie: Jerry Bruckheimer. Mit Denzel Washington, Will Patton u. a., USA 2000, 115 Min.

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