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Der Geldbeutel des Hypokrates

Die Ärzte beenden ihre Aktionswoche mit durchwachsener Bilanz: 2.500 von 6.000 Praxen haben sich an dem Protest für höhere Honorare beteiligt. Bisher nur geringer Erfolg. Ärzte kündigen jetzt einen Streik an, „der richtig weh tut“

Die Kassenärzte haben gestern ihre einwöchige Protestaktion gegen Arzneimittelbudgets und die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Honorare beendet. Über die Woche hatten sich etwa 2.500 der 6.000 der in der Haupstadt niedergelassenen Ärzte zeitweise beteiligt. Genaue Angaben darüber, wie viele Praxen wie lange geschlossen hatten, konnte der Sprecher des Aktionsrates der Kassenärzte, Anton Rouwen, gestern jedoch nicht machen. Am Mittwoch hatten mehrere hundert Mediziner aus Berlin und ganz Ostdeutschland vor dem Brandenburger Tor eine Kundgebung abgehalten, bei der sie symbolisch ihre Kassenzulassungen auf den Müll warfen.

Rouwen zog auf einer Pressekonferenz eine durchwachsene Bilanz über die Protestaktion. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die man erzielen konnte, könne zwar als Erfolg verbucht werden, in der „Erfüllung der Forderungen“ sei man aber nicht weitergekommen. Die Ärzte hatten sich vor allem für eine Abschaffung von Budgets für die Verschreibung von Arzneimitteln und die Angleichung ihrer Honorare an das Westniveau eingesetzt. Für Kassenpatienten erzielen die Mediziner in den ostdeutschen Bundesländern 77 Prozent der Honorare ihrer westdeutschen Kollegen. Bei Privatpatienten sind es immerhin 84 Prozent.

Rouwen zeigte sich erfeut, dass sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zu einem Gespräch mit den Protestierern bereit erklärt habe. Die Ministerin sei dann während der Unterredung aber kaum auf die Forderungen der Ärzte eingegangen. Sie habe zwar eine Erhöhung der Honorare auf 86 Prozent angekündigt, was den Krankenkassen jährliche Mehrausgaben von 600 Millionen Mark bescheren würde. Damit sei die Existenz vieler Praxen im Osten aber noch nicht gesichert, so Rouwen. „Wir haben wohl etwas aneinander vorbei geredet“.

Die Berliner Ärzte erzielen einen Durchschnittsgewinn von 150.000 Mark vor Steuern pro Jahr. Rouwen verteidigte dennoch die Ärzte-Aktionen. Zwei Drittel der Berliner Ärzte lägen unter dem Durchschnitt, außerdem verdienten die westdeutschen Kollegen im Schnitt 190.000 Mark im Jahr. Rouwen: „Ein Freiberufler, der fünfzig bis sechzig Stunden in der Woche arbeitet, sollte wohl 220.000 Mark Gewinn fordern dürfen.“

Viel Wert legt die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) auf den Hinweis, es habe sich bei der Aktion nicht um einen Arbeitskampf gehandelt. „Wenn wir uns wie ein Streikkomitee gerierten und Streikposten vor die Praxen stellen würden“, sagte der Sprecher, „würden wir auch die Unterstützung der Patienten verlieren.“ Man setze viel mehr auf Aktionen mit „gewissem Sympathiefaktor“. Nach Angaben der KV war die Patientenversorgung trotz der Proteste die ganze Woche über garantiert. Sollten die Forderungen der Ärzte jedoch nicht erfüllt werden, „behalten wir uns einen Streik vor, der richtig weh tut“, so ein Facharzt. „Wir wollen keine Demutshaltung einnehmen“, betonte auch Angelika Prehn, die stellvertetende Vorsitzende der Berliner KV. Sie kündigte kündigte weitere Aktionen für Mai an.

DANIEL FERSCH

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