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Der grüne Atomstaat ist geboren

betr.: „Wir sind nicht so frohe Typen“ (Trittin/Traube-Interview), „Wendland in Gewahrsam“, „Karneval in Gorleben“ u.a., taz vom 24./25., 27., 28. 3. 01

[...] Unverschämt ist die Behauptung von Jürgen Trittin, zum Atomkonsens hätte ... auch mehr herausgehandelt werden können, wenn die Anti-Atom-Bewegung stärker wäre.

1. Als Vorstandssprecher der Grünen hat Trittin die Anti-Atom-Bewegung nie mit Tat und Konsultation unterstützt. 2. Was hätten denn bitte 1998 300.000 Menschen in Berlin machen sollen? Die Koalitionsverhandlungen und auch der Atomkonsens wurden hinter verschlossenen Türen in Bonn verzapft. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Initiativen und Umweltverbände, die in dieser Zeit Kontakt suchten, abgewimmelt und hingehalten wurden bis die bekannten Ergebnisse präsentiert wurden.

Die Grünen haben alles getan, um die Anti-Atom-Bewegung hinzuhalten und zu demobilisieren. Wichtig allein waren ihnen die Ministerpöstchen. Um dies zu vertuschen, soll die Anti-Atom-Bewegung nun zum Selbstschuldigen gemacht werden. [...]

WOLFGANG KÜHR, Energiepol. Sprecher des Bundesverban-

des Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.

[...] Es geht bei den Demonstrationen nicht nur um den zweifellos zurückzunehmenden Müll, sondern um die katastrophale Atompolitik. Seit Mitte der Siebzigerjahre gibt es eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung, dass ohne Endlager keine AKWs mehr genehmigt werden dürfen. Heute gibt es immer noch kein Endlager, dafür gibt es müllproduzierende AKWs, die künftig alle ein genehmigtes Zwischenlager auf dem eigenen Gelände haben werden.

Es gibt weder einen einklagbaren Atomkonsens, noch gibt es Stromrechnungen, die die tatsächlichen Atomstromkosten ausweisen, nicht Kosten für diese, schon gar nicht für kommende Generationen. ULF EVERS, Wattenbek

Herr Urbach, [...] mit Ihren eher rückwärts gerichteten Aussagen schüren Sie den Zwist zwischen Atomkraft-Gegnern und den Grünen und suggerieren, dass der heutige Atomkonsens nicht mehr zu verbessern geht. Ich hätte hier wenigstens anders getitelt: Atomkraftgegner brauchen breitere (politische) Basis! oder besser: Wann ist die nächste Anti-Atomkraft-Demo in Berlin?

TOBIAS WERNER, Meißen

Es ist schon interessant. Eine Partei, die über zwei Jahrzehnte von engagierten Bürgern mit einem klaren Auftrag bis auf zweistellige Wahlergebnisse hochgepäppelt wurde, richtet sich innerhalb weniger Jahre selbst zugrunde. Nach Ausflügen zu und Übernahme von wirtschafts- und steuerpolitischen Zielen der CDU und FPD, nun als vorläufiger Höhepunkt der umweltpolitischen Sündenfälle der letzten zwei Jahre: der so genannte Atomkonsens, der wahrscheinlich als genialster Wählerbetrug seit 1945 in die Geschichte eingehen wird. Das Problem der Grünen ist, dass nicht alle ihrer Wähler sich haben einlullen lassen und anhand der Fakten die Pro-Atom-Politik aller Regierungen unverändert fortgesetzt sehen. Sogar mit Ausnahmegenehmigungen für Zwischenlager an den AKWs, die vorher als zu gefährlich angesehen wurden. Mit den grünfarbigen Beamten, mit denen die grünen Politiker jetzt den eigenen Wählern im harten Knüppeleinsatz den Atomausstieg nahe bringen, ist er wirklich da: Der grüne Atomstaat!

LOTHAR CHALUPSKY, Buchholz i.d.N.

Weltweit, aber vor allem auch in Deutschland, wird die Menschheit von Atomlobbyisten, Atomstromgeschäftemachern nebst Aktionären und ganz besonders von ihren regierenden Politikern verbalkosmetisch und wortakrobatisch narkotisiert sowie gnadenlos raffiniert getäuscht. Hinterhältig wird mit vermeintlicher, geradezu demonstrativer „Ehrlichkeit“ sogar eingeräumt, dass Entsorgungsprobleme noch ungelöst sind.

Das soll ganz bewusst so klingen, als ob es eine Lösung gibt, nach der man nur noch sucht. Aber die Entsorgungsprobleme des Atommülls sind nicht ungelöst, sie sind unlösbar. Und das aus naturgesetzlich zwingenden Gründen. [...] Trotzdem wurde und wird weiter Atommüll produziert. Nach Kanzler Schröders „Vereinbarung“ mindestens noch einmal so viel wie seit Beginn des Atomzeitalters in Deutschland schon produziert worden ist. [...]

HANS GROSSMANN, Maintal

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