: Ein kleines Dorf wird zum Politikum
Im kosovarischen Grenzort Krivenik wurden am Donnerstag bei einem Angriff drei Menschen von Granaten getötet. Makedoniens Regierung weist jegliche Verantwortung zurück. Die internationalen Organisationen spielen den Vorfall herunter
aus Skopje ERICH RATHFELDER
Krivenik heißt der einstmals völlig unbekannte Ort, der nun plötzlich im Mittelpunkt des Interesses steht. Seit am Donnerstagnachmittag eine Granate drei Menschen in den Tod riss und mehrere verwundete, ist das kleine Dorf in Kosovo, das an der Grenze zu Makedonien liegt, sogar zum Politikum geworden. Denn die Granaten sind mit höchster Wahrscheinlichkeit von makedonischen Sicherheitskräften abgefeuert worden. Und das bedeutet, dass die makedonische Armee die Integrität der unter UN-Verwaltung stehenden Provinz Kosovo verletzt hat, was wiederum die UN-Mission im Kosovo ( Unmik) wie die internationalen Truppen der KFOR nicht hinnehmen dürfen.
Die makedonische Seite bestreitet allerdings, mit der Sache etwas zu tun zu haben. In den Zeitungen werden verschiedene Versionen aufgetischt, so jene, die UÇK habe auf das Dorf geschossen, um der KFOR eins auszuwischen, die jetzt daran beginnt, illegale Grenzgänger zu verhaften. Zwei der Leichen, so eine andere Information, seien vor zwei Tagen in das Dorf gebracht worden.
Vielleicht wäre diese offensichtliche Desinformation in Makedonien selbst unbestritten geblieben, wenn nicht auch ein Ausländer unter den Toten wäre. Es handelt sich um den britischen Journalisten Kerem Lawton, der von der Granate schwer verletzt wurde und wenige Stunden später starb. Lawton arbeitete für die Presseagentur AP und hinterlässt eine hochschwangere Frau. Besonders tragisch ist für die Hinterbliebene, dass vor einem Jahr ihr damaliger Freund, ebenfalls Journalist, in Sierra Leone erschossen wurde.
Die KFOR leitete sofort eine Untersuchung ein. Doch das Ergebnis wurde nicht bekannt gegeben. In die Öffentlichkeit gelangte nur die Version einer makedonischen Kommission, die erklärte, der Schuss hätte nicht von makedonischer Seite stammen können. Auf einer Pressekonferenz in Skopje gab jedoch der Administrator der UN-Mission im Kosovo, Hans Häkkerup, bekannt, dass eine gemeinsame Kommission gegründet sei, die den Vorfall untersuchen wird.
Die internationale Gemeinschaft zögert, die makedonische Regierung bloßzustellen. Häkkerup betonte auch, dass Unmik und KFOR mit der makedonischen Regierung in der Frage der albanischen „Extremisten“ verstärkt zusammenarbeiten wird. Die KFOR hat in der Tat die Grenzüberwachung intensiviert. Deutsche Truppen sind dabei, die Grenze in der Region abzuriegeln. 44 Grenzgänger seien schon verhaftet worden, gab Häkkerup bekannt. Sie würden einem Haftrichter vorgeführt, der überprüfe, ob es sich um UÇK-Kämpfer handelt. Ob die betreffenden Personen an Makedonien ausgeliefert würden, ist offenbar noch offen.
Da Makedonien in der Frage der Öffnung der Grenzübergänge zum Kosovo wiederum der Unmik entgegenkommen will – schon in den nächsten Tagen ist mit der Öffnung der Grenzen für den kommerziellen Verkehr zu rechnen –, wäre eine zu harsche Stellungnahme Häkkerups wegen der Toten von Krivenik für das gute Einvernehmen nur störend gewesen.
Wie lange die Kommission den Vorfall untersuchen wird, wurde nicht bekannt gegeben. Nach Meinung militärischer Experten müssen jedoch schon jetzt die Ergebnisse der Nato vorliegen. Mit den technischen Mitteln der Nato sei es nicht schwer, die Wahrheit über die Flugbahn der Granaten herauszufinden.
Seit zwei Tagen lag die gesamte Grenzregion unter Beschuss der makedonischen Sicherheitskräfte. Deshalb zweifelt die albanische Seite nicht, dass die Makedonier für den Zwischenfall Verantwortung tragen. Die UÇK erklärte, sie verfüge nicht über Mörser dieses Kalibers. Quellen aus Priština berichten, dass man dort erbost ist über die Strategie der internationalen Institutionen. Man verdecke mit der Taktik, die Schuldigen nicht zu nennen, die Wahrheit. Man wolle die makedonische Regierung decken. Dies könnten die Albaner nicht hingenehmen. Die Unmik sei die Regierung Kosovos und müsse die Interessen Kosovos auch nach außen vertreten.
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