: Und zuletzt ein Gruppenfoto
Das Event zur Nominierung zum Deutschen Filmpreis: Julian Nida-Rümelin verteilte Milch und Honig im „Adlon“
Berlin wird zum Turnierplatz eines kulturpolitischen Nord-Süd-Konflikts. Schien vor kurzem mit Naumann, Nevermann und Kosslick noch die hanseatische Fraktion zu dominieren, machen die Bajuwaren nun mit Stölzl und Nida-Rümelin mobil. Letzterer holte sich zur Verstärkung seinen einstigen Chef, den Münchner SPD-Bürgermeister Ude, in den Ballsaal des selbst ernannten Luxushotels Adlon. Der hielt eine schmissige, durchaus ironisch akzentuierte Rede auf seinen Landsmann und sandte Grußworte der „heimlichen Hauptstadt München an die unheimliche Hauptstadt Berlin“. Danach galt es, die Nominierungen zum Deutschen Filmpreis auszurufen.
Ein wichtiges Ereignis – verkörpert es doch mit insgesamt fünf Millionen Mark den höchstdotierten Kunstpreis, den es hierzulande gibt. Bereits die Vorauswahl ist für die Produzenten mit einer Prämie von 500.000 Mark verbunden. Hohe Erwartungen knüpften sich zudem an den ersten, explizit filmpolitischen Auftritt des Staatssekretärs.
Hinsichtlich der ausgewählten Filme gab es nicht unbedingt Überraschungen zu erwarten, gestaltet sich doch die hiesige kinematografische Landschaft relativ übersichtlich. „Die innere Sicherheit“ war vermutlich wirklich der beste deutsche Spielfilm der vergangenen zwölf Monate und gehörte deshalb folgerichtig zu den sechs prämierten Produktionen. Florian Körner von Gustorf hat seine nun preisgekrönte Firma Schramm-Film nach 13 Kleinen Fernsehspielen klammheimlich zu einer der wichtigsten Größen der Branche gemacht und sollte nun endlich Jörg Buttgereit zurück in den Regiestuhl hieven. Fast zehn Jahre ist es her, dass „Butti“ seinen letzten Spielfilm drehen konnte – „Schramm“ gab Körners Firma ihren Namen, er selbst spielte damals die Titelrolle.
Quantitativ räumten die Kollegen von X-Film am deutlichsten ab: „Der Krieger und die Kaiserin“ nominiert als bester Spielfilm, Franka Potente als beste Darstellerin, Lars Rudolph als bester Nebendarsteller. Aus dem soeben angelaufenen „Heidi M.“ von Michael Klier wurden Franziska Troegner (beste Nebendarstellerin) und Katrin Saß (beste Darstellerin) gekürt. Im Bereich Dokumentarfilm konnten sich Herbert Schwiering und Hans-Erich Viet mit ihrem sympathischen Russlanddeutschen-Report „Milch und Honig aus Rotfront“ einer Nominierung erfreuen.
Dass Ulli Gaulkes Kubawellenreiter „Havanna mi amor“ ebenfalls bedacht wurde, mag dem Zeitgeist geschuldet sein, verweist aber auf den auf pure Heiterkeit ausgerichteten Tunnelblick der Juroren. Eine testamentarische Arbeit nämlich wie Thomas Heises „Neustadt – Der Stand der Dinge“ zu übergehen ist schlicht unverzeihlich.
Die eventgebeutelte, in ständiger Feierstimmung befindliche Filmbranche hat verständlicherweise keine Zeit zum Innehalten. So spulte sich auch die „Nacht der Nominierten“ in abgeklärter Routine ab. Flotte Sprüche, Jazzkapelle, zuletzt ein Gruppenfoto. Immer wieder Applaus zwischen den vielen Namen und Titeln. Die vollständige Liste bitte dem Internet entnehmen (www.deutscherfilmpreis.de).
Noch ein kulturpolitisches Phänomen: die Feingeister sind auf dem Vormarsch. Wir haben einen Chef der Berliner Festspiele, von dem gesagt wird, er sei eigentlich Lyriker. Und wir haben einen Staatssekretär für Kultur, der eigentlich Philosoph ist. Der nun hielt sich auf dem Festakt mit tief schürfenden Deklarationen zurück, wiederholte lediglich seine nicht eben originelle These, die Filmkunst habe heute eine der Oper im 19. Jahrhundert vergleichbare Bedeutung.
Außerdem brachte er ein abgewandeltes Lenin-Zitat ins Spiel, erklärte den Film als die einflussreichste aller Künste. Erst kürzlich hatte ja der Philosoph Slavoj Žižek in der Zeit auf die Aktualität Lenins hingewiesen.
Es fällt einem zu diesem ganzen Spektakel noch ein Sprichwort ein: „Hätte er geschwiegen, wäre er Philosoph geblieben.“
CLAUS LÖSER
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