: Depressionen mit Biotech
Im Pharmamarkt kann es zwar große Gewinnchancen geben – doch ebenso große Risiken. Ethisch-ökologische Vorbehalte sind berechtigt. Doch noch immer hoffen Anleger auf steigende Renditen
Ob Reinigung von Gensequenzen, Herstellung von Potenzmitteln oder Entwicklung von Tests zum Aufspüren von Genveränderungen bei Lebensmitteln: Hinter dem Sammelbegriff „Biotechnologie“ können sich völlig unterschiedliche Konzepte verstecken. Daher gilt für alle Anleger, die sich von den purzelnden Aktienwerten noch nicht entmutigen lassen, ganz genau hinter die Kulissen des Unternehmens ihres Interesses zu blicken.
Besonders verlustanfällig sind Firmen mit nur einer kleinen Palette an Produkten, die aber einen Großteil des Umsatzes ausmachen. Wenn beispielsweise das Nutzungsrecht an Patenten endet, kann der Gewinn rapide schmelzen. So geschehen bei der amerikanischen Firma Eli Lilly & Co, die das Antidepressivum „Prozac“ herstellt. Prozac machte dort etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes aus.
In einem Rechtsstreit hatte dann ein amerikanisches Gericht festgelegt, dass das Patent im August 2001 auslaufen wird. Daraufhin fielen die Kurse in den Keller, an einem Tag im August vergangenen Jahres von 109 auf 77 Dollar. Das Jahreshoch hatte einst bei 215 Dollar gelegen, der Tiefstpunkt wurde bei 59,50 Dollar gemessen. Zum Jahreswechsel legte die Aktie zwar noch mal zu und überstieg die 90-Dollar-Marke, sackte dann jedoch wieder bis dicht an 70-Dollar-Grenze und schloss am vergangenen Mittwoch an der Nasdaq schließlich knapp unter 80 Dollar.
Wichtig ist daher immer, dass ein Nachfolgeprodukt in der Warteschleife steht, raten Analysten. Eli Lilly versucht derzeit die Lücke mit dem Medikament „Zovant“ zu füllen, einem Mittel gegen Blutvergiftung. Ob es ähnlich erfolgreich sein wird wie Prozac, ist jedoch fraglich, denn auch die Pharmariesen Glaxo Wellcome und Novartis arbeiten an solchen Sepsismedikamenten. Sie könnten dem vergleichsweise kleinen Biotech-Unternehmen Eli Lilly das Wasser abgraben. Große Pharmafirmen streuen daher ihre Produktpalette. Dabei bleibt es oft nicht nur bei der Herstellung von Medikamenten. Gern kaufen die Riesen sich in andere Sektoren ein. Beispielsweise hat sich Novartis mit seinem Tochterunternehmen Aventis ein Standbein in der Entwicklung gentechnisch hergestellter Agrarprodukte geschaffen. In diesem Segment sind die Konzerne jedoch vorsichtig geworden, denn die Verbraucher reagieren zunehmend mit Ablehnung auf solche Produkte, so dass sich manche Firmen nun wieder verstärkt auf die klassische Entwicklung von Medikamenten konzentrieren. Oder sie expandieren in den großen Markt der Nahrungsergänzungsmittel.
Wer Vorbehalte gegen Produkte wie Potenzmittel und „Happy-Pillen“ hat, muss jedoch nicht zwingend auf Biotech verzichten. Die Firma Genescan Europe AG beispielsweise liefert Tests zum Nachweis von Genveränderungen in Lebensmitteln – und fährt damit offenbar recht gut, denn die Nachfrage nach solchen Screenings wird auch in Zukunft nicht abflauen. Der Kurs der Aktie an der Frankfurter Börse lag am letzten Donnerstag mit 17,50 Euro zwar nur knapp über dem 12-Monatstief von 10,28 Euro. Doch immerhin verzeichnete der Wert im Jahresverlauf auch schon mal einen Höchststand von 94 Euro.
Firmen wie die Heidelberger Lion Bioscience AG profitieren ebenfalls von der Entschlüsselung des Genoms. Dort programmiert man Software für die Bewältigung der zu bearbeitenden Datenmenge. Am Neuen Markt in Frankfurt lag der Höchstkurs im Jahresverlauf bei 123,50 Euro, der Tiefststand betrug 20,18 Euro. Derzeit (Stand: 29. März) pendelt der Wert bei etwa 30 Euro.
Oftmals ist es jedoch für den Anleger kaum möglich, sich im Dschungel der vielen Biotech-Start-ups zurechtzufinden. Die Frankfurter Öko-Bank verzichtet daher zurzeit auf Biotechnologie-Aktien in ihren Fonds. „Der Markt ist zu unübersichtlich. Es wurden einige Werte geprüft, aber wegen ethischer Bedenken nicht aufgenommen“, so die Bankensprecherin Bettina Schmoll. Beispielsweise entspreche die Entwicklung von Screening-Methoden des menschlichen Genoms nicht den strengen Maßstäben des Ökovision-Fonds, da sie auch gegen den Menschen eingesetzt werden könnten, heißt es bei der Bank.
Im Jahr 2000 gab es einen regelrechten Boom im Biotech-Segment. Die momentane Flaute an den Börsen macht aber auch nicht vor der oft kräftig überbewerteten Biotechnologie Halt. Dennoch fallen die Werte im Vergleich zu den Technologiewerten eher mäßig. Analysten raten aber, allenfalls in Fonds und nicht in Einzelwerte der Branche zu investieren – und dann insgesamt nicht mehr als zehn Prozent des verfügbaren Geldes. Das Jahr 2001 werde keinen Boom bringen – so viel Vertrauen die Anleger den Biotech-Firmen auch entgegenzubringen scheinen. Einer Umfrage bei Anlegern zufolge, die die Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) am 21. März veröffentlichte, erwartet immerhin noch jeder dritte Investor auch in Zukunft steigende Renditen bei den Biotechnologie-Werten. KATHRIN BURG/ALO
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