: Campus statt Kiez?
Der Pferdestall will sich als feste Kulturgröße im Uni-Viertel etablieren ■ Von Sebastian Schinkel
Keine LoFi-Unternehmung soll es werden, vielmehr haben die StudentInnen des Pferdestall e.V. große Pläne: Ein etablierter „Kulturhof“ soll am Campus der Universität entstehen, und die InitiatorInnen scheuen Vergleiche wie den Mojo-Club oder Kampnagel für ihr Projekt nicht. Eine qualitativ hochwertige Mischung aus beidem schwebt ihnen vor. Ort des Geschehens: das im akademischen Betrieb als „Pferdestall“ bekannte Gebäude am Al-lendeplatz 1, in dem auch der sozialwissenschaftliche Fachbereich untergebracht ist. Vor einem knappen Jahrhundert brachte der Fuhrunternehmer Schlüter seinen Firmensitz samt Pferden in dem damaligen Neubau unter. Dessen 600 qm großer, glasüberdachte Innenhof ist heute das Zentrum der Begierde – oder soll es vielmehr werden.
Bereits im letzten Oktober gab es einen einwöchigen Testlauf, der ebenso vielseitig wie gut besucht war. Zuspruch genug für den heutigen Start eines regelmäßigen Veranstaltungsprogramms. Jeweils die erste Woche der nächsten Monate wird Partywoche sein – das große Ziel ist ein durchgängiger Kulturbetrieb. Die um den Hof gelegenen Raumkapazitäten werden vorerst noch vom technischen Dienst der Universität genutzt. Voraussichtlich ab dem nächsten Jahr sollen sie aber mit in das Projekt einbezogen werden: Für Gastronomie, Theater, Kursprogramme, Musik-Studio, Techno-Keller etc. Auch Kooperationen mit Kultureinrichtungen wie dem Abaton-Kino oder den Kammerspielen können sich die VeranstalterInnen gut vorstellen.
Die Clubwochen werden mit nächtlichen Parties und Abendprogrammen jeweils einen künstlerischen Schwerpunkt bilden. Im April steht in Zusammenarbeit mit dem Abaton der Film im Mittelpunkt, im Mai wird es Theater sein, Literatur ist im Juni zentral, und im Juli liegt der Schwerpunkt bei Livemusik, nicht zuletzt wegen des traditionellen Campusfestivals „Sommernachtstraum“.
Die einzelnen Wochentage erhalten eine gleichbleibende Grundorientierung: So wird Mittwoch etwa der experimentelle Tag sein; heute Abend setzen nach dem Italo-Western Leichen pflastern seinen Weg (im Abaton) die Musiker von Halma und DJ Beau Jangles den Abend mit Country-Adaptionen im Pferdestall fort. Der Donnerstag wird zum regelmäßigen House-Tag, am 5. April mit Tiefschwarz aus Stuttgart und dem Film Traffic im Abaton vorneweg. Freitags gibt es im Pferdestall Dancehall und Ragga auf die Ohren, diese Woche mit dem Film The Harder They Come und Beschallung von Sillywalks und concret jungle/jam fm. Samstags schließlich schlagen die härteren Beats, oder es geht bei Jazzklängen sanfter zu. In dieser Woche mit einem Nachmittagscafé, gefolgt von Russ Meyers Film Faster, Pussycat! Kill! Kill! im Abaton und fettem Sound vom Fatback Soundsystem zu späterer Stunde. Für einen Tanz in den Mai sind gar Rockers HiFi im Gespräch.
Bei aller Attraktion: Im Studierendenparlament werden zum Pferdestall-Vorhaben auch ablehnende Stimmen laut. Immerhin soll der AStA ein Großvorhaben finanziell mit anstoßen, für das langfristig völlig unabhängiges Wirtschaften geplant ist. Falk Hoquél vom Pferdestall e.V. betont dagegen das angestrebte hohe und professionelle Niveau. Ein gutes, über studentische Kreise hinaus bekanntes Kulturforum mit hochwertigem Angebot stifte auch ein positives Image für die Universität und leiste neue Identifikationsangebote für die Studierenden. Solche Worte gefallen auch Universitätspräsident Jürgen Lüthje, der den Verein logistisch supportet. Eine Szene-Job-Börse ist schließlich auch noch in Planung.
Manches an den Planungen stärkt freilich den Eindruck, dass kritisches Denken auch in der Campus-Kultur in erster Linie die Faszination des Fremden ausmacht.
bis Sa; Leichen pflastern seinen Weg: heute, 20 Uhr, Abaton; Halma und Beau Jangles Tequila Country: 22 Uhr, Pferdestall; das komplette Programm im Terminteil und unter www.pferdestall.de
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