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Hörerprotest beim Steakessen

Eine Hörerinitiative kämpft gegen die Programmreform des SFB, die seit Anfang des Jahres die „Entwortung“ beim Klassikdampfer Radio Kultur zur Folge hat. Morgen trifft sie auf die Verantwortlichen der Wellenreform

von SILVIA LANGE

Radio ist ein flüchtiges Medium, dem man meist allein lauscht. Wenn sich der Lieblingssender reformiert und die besten Sendungen abschafft, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: weiterzappen oder ganz abschalten. Um den Unmut zu bündeln und vielleicht doch etwas zu bewirken, hat sich die „Hörerinitiative für Kultur im Radio Kultur“ gegründet.

Sie kämpft gegen die Programmreform des Senders Freies Berlin (SFB), der seit Anfang des Jahres auf Radio Kultur vor allem klassische Konzerte in den Äther pustet und viele politische Magazine gekürzt oder abgeschafft hat. „Ich mag Klassik sehr gerne, aber hier verengt sich der Kulturbegriff rein auf klassische Musik“, erläutert Rainer Schulz seine Motivation, seit drei Monaten für die Initiative von Hörer zu Hörer in Berlin und dem Umland zu tingeln und den Protest zu organisieren (www.hoerinitiative.xantho.de). Bisher haben sich rund dreißig Leute bei ihm gemeldet, die ebenso „radiomäßig heimatlos“ geworden sind. Die Mischung sei bunt und reiche „vom Arbeitslosen bis zum Wissenschaftler ganz unterschiedlichen Alters“. Die Initiative beruft sich auf den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der für Programmvielfalt und Grundversorgung steht.

Stattdessen machen sich die einzelnen Wellen der Region mit ihren monothematischen und traditionellen Programmen gegenseitig Konkurrenz. Denn ein paar Frequenzen weiter befidelt das klassische Radio 3 die Hörerohren mit Streichkonzerten. Es wird gemeinsam vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) und vom Norddeutschem Rundfunk (NDR) veranstaltet, bis Anfang des Jahres war auch der SFB noch mit von der Partie. Diese „Binnenkonkurrenz “ innerhalb des öffentlich-rechtlichen Hörfunks beklagt Schulz: „Der Kulturauftrag ist amputiert, und Ausgewogenheit können wir nicht hören.“

Den Vorwurf lässt die SFB-Leitung nicht gelten: „Radio Kultur ist wortorientierter als Radio 3“, meint Sprecher Lewkowitz und bemüht sich um Schadensbegrenzung nach der im letzten Jahr beinahe geplatzten Hörfunkkooperation der beiden eifersüchtigen Sender. Es fänden sich die Aspekte vieler gestrichener Sendungen in anderen Wellen von SFB und ORB wieder.

Schulz hofft, dass die Hörerinitiative trotz der bereits geschaffenen Fakten wächst und sich ähnlich gut wie in Bremen organisiert. Dort kämpft die Initiative „Hörsturz“ für den Erhalt der Kulturwelle Radio Bremen 2, die im Zuge der Umstrukturierung des Senders abgeschaltet werden soll. Vor kurzem organisierte sie ein Rettungskonzert, zu dem 500 HörerInnen kamen. Die Berliner Initiative setzt zunächst auf deftiges Steak: Morgen um 20 Uhr trifft sie sich im „Steakhaus Asado“ am Charlottenburger Messedamm, in unmittelbarer Nähe zum SFB-Haus. Zu Gast: „Radio Kultur“-Chef Wilhelm Matejka.

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