: Die Bürger vor Gentests schützen
Hausaufgaben für Rot-Grün: Datenschutzbeauftragter Jacob fordert ein Verbot heimlicher Gentests und appelliert an die Koalition, schleunigst zu handeln. Bei den Telefonüberwachungen sollten die Behörden regelmäßig und umfassend berichten
von LUKAS WALLRAFF
Zu den Panikmachern gehört Joachim Jacob mit Sicherheit nicht. Die Warnung vor einem drohenden Orwellstaat ist dem langjährigen Bundesbeauftragten für den Datenschutz noch nie über die Lippen gekommen. Auch gestern, bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts, gab Jacob erst einmal Entwarnung: So habe er 1999 und 2000 „keine Hinweise auf einen absoluten Ernstfall für den Datenschutz“ erkennen können. Auch mit der rot-grünen Bundesregierung sei „kein tiefgreifender Dissens zu beklagen“. Fast konnte man meinen, der FDP-Mann würde sich und sein Amt im nächsten Satz für überflüssig erklären. Doch was folgte, war deutliche Kritik an der Regierung und ein Aufruf zu „dringend erforderlichen“ Gesetzesänderungen.
Beim staatlichen Umgang mit dem Persönlichkeitsrecht seiner Bürger mahnte Jacob „mehr Transparenz“ an. Der Gesetzgeber müsse sicherstellen, so Jacob, dass Telefonüberwachungen „nicht zur Standardmaßnahme“ würden. Deshalb sollte eine gesetzliche Berichtspflicht der Behörden über ihre Abhöraktionen gesetzlich vorgeschrieben werden. Ebenso wie bei der Videoüberwachung müsse die Verarbeitung der Daten „auf das Unvermeidliche begrenzt“ werden.
Unvermeidlich ist für Jacobs auch ein Verbot heimlicher Gentests: „Anders als beispielsweise das unbefugte Öffnen eines Briefes sind derart gravierende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht derzeit nicht strafbar.“ Wegen der rasanten technischen Entwicklung müssten die Menschen geschützt werden. So sei in den USA bereits „der Prototyp eines handtellergroßen Minilabors“ vorgestellt worden, mit dem Geschäftemacher in kurzer Zeit eine Antwort liefern könnten auf die Frage: „Ist es mein Kind, ist es mein Vater?“ Auch Versicherungen und Arbeitgeber könnten sich in Zukunft ohne Wissen der Betroffenen Informationen über „eines der wichtigsten Geheimnisse eines Menschen“ beschaffen. Die „gesellschaftspolitische Sprengkraft, die in Gentests für jedermann liegt“, sollte nach Jacobs Meinung „auf keinen Fall unterschätzt werden“. Die Bundesregierung dürfe sich nicht damit herausreden, dass deutsche Gesetze mangels internationaler Regelungen nur begrenzt greifen könnten. „Es ist besser, bald die internationale Diskussion anzustoßen“, sagte Jacob, „als auf ein sich irgendwann einmal einstellendes Ergebnis zu warten.“
Schnelles Handeln fordert Jacob auch beim Schutz vor heimlich gemachten Bildaufnahmen. Die technische Entwicklung erlaube es, unbemerkt Videoaufnahmen zu machen und etwa im Internet weltweit zu verbreiten. „Es kann nicht angehen, dass so etwas weiterhin straffrei bleibt“.
Im Streit über den Umgang mit den Stasi-Abhörprotokollen übte Jacob Kritik an der Bundesbeauftragten Marianne Birthler: Auch ihr kürzlich vorgestelltes Kompromisspapier stelle den Opferschutz noch nicht ausreichend „in den Mittelpunkt“.
Was Jacob aber in den letzten zwei Jahren „vor allem störte“, war das Desinteresse der Industrie an der Aufklärung über die Verwendung von Kundendaten. Die Gefahr des „gläsernen Konsumenten“ sei durch die Nutzung des Internets noch gestiegen. Hier könne der Staat aber nur begrenzt eingreifen. Gefragt sei „mehr eigenverantwortlicher Datenschutz“. Dazu gehöre auch, das Kleingedruckte in Kaufverträgen zu lesen und bei der Angabe von Daten vorsichtig zu sein.
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