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Nicht nur Platzhalter

Ganz im Sinne des Arbeitsministers: Die gemeinnützige Gesellschaft GATE hat einen Modellversuch „Jobrotation“ gestartet  ■ Von Nikolai Wehrs

Hier wäscht eine Hand die andere: Die Evangelische Stiftung Als-terdorf schickt ihre Mitarbeiter auf Fortbildung. Die Behindertenpflege soll künftig mehr erzieherische Aspekte einbeziehen, die Betreuer sollen pädagogisch besser geschult werden. Nun können natürlich die Wohngruppen für die Dauer der Fortbildung nicht einfach geschlossen werden. Also benötigt die Stiftung qualifizierte Arbeitskräfte, die für diese Zeit einspringen. Solche Arbeitskräfte stellt die Gesellschaft für Arbeit, Technik und Entwicklung (GATE) zur Verfügung. Die gemeinnützige Gesellschaft bringt auf diese Weise jugendliche Arbeitslose wieder in Lohn und Brot. Für die Qualifizierung der ABM-Kräfte sorgt der Verein „zebra“.

Ende Februar setzte Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) das dänische Modell „Jobrotation“ auf die Tagesordnung für das „Bündnis für Arbeit“. In Dänemark ermöglicht seit 1994 ein Gesetz allen Arbeitnehmern eine einjährige Fortbildung. Während dieser Zeit werden sie auf Staatskosten von einem Langzeit-Arbeitslosen vertreten. „Jobrotation“ gilt mittlerweile als das Erfolgsgeheimnis des dänischen „Jobwunders“. Rund 80 Prozent der so vermittelten Arbeitslosen blieben auch nach Rückkehr der Stammkräfte in einer Festanstellung. Zwar ist noch unklar, ob sich das Modell in die komplizierte deutsche Sozialgesetzgebung einbauen lässt. Sagen lässt sich aber, dass der Modellversuch von GATE bisher zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufen ist.

Seit Anfang November bereitet GATE neun junge Frauen auf die Arbeit mit den Behinderten vor. Keine von ihnen hat eine abgeschlossene Ausbildung im Pflegebereich. „Gutausgebildete Pflegekräfte sind umworben“, erklärt Projektleiterin Marie-Luise Bernhardt, „die suchen sich psychisch und körperlich weniger belastende Stellen.“ Immerhin, alle neun Frauen haben schon Pflegeerfahrung. Die spezielle Qualifizierung für den Behindertenbereich bekamen sie bei „zebra“. Neben dieser Grundeinweisung arbeiteten sie erst einmal in GATE-Betrieben wie den Dienstleistungszentren, die in strukturschwachen Stadtteilen wie Harburg und Neuwiedenthal Familienhilfe anbieten. Nach Weihnachten ging es dann zum Praktikum in die Wohngruppen, in diesen Wochen beginnt nun die eigentliche Stellvertretung.

Marie-Luise Bernhardt gefällt besonders, dass die „Jobrotation“ die Beschäftigten wieder an den ersten Arbeitsmarkt heranführt – keineswegs üblich bei ABM-Jobs. Tatsächlich hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf bereits angedeutet, wer sich bewähre, habe gute Chancen, übernommen zu werden.

Finanziert wird das Projekt über das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Zwar hofft Bernhardt, aus diesem Topf noch ein zweites Jahr „Jobrotation“ bezahlen zu können. Sie sucht aber auch nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten, um auch Menschen, die älter als 25 Jahre sind, vermitteln zu können. „Es wird immer wichtiger, ältere ArbeitnehmerInnen gut zu qualifizieren. Warum soll eine Pflegerin nicht 35 sein dürfen?“

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