: Null Problemo
„Sachgerecht“ und „sensibel“: Die Ausländerbehörde bewertet sich selbst. Senat will den Bericht aber nicht veröffentlichen ■ Von Heike Dierbach
„Probleme sind nicht bekannt“. Das ist der häufigste Satz in einem „Evaluationsbericht“ über die Umstrukturierung der Ausländerbehörde. Die Mitarbeiter arbeiteten „sachgerecht“, „sensibel“ und „verantwortungsbewusst“. Die Autoren des Berichtes: Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Die Beratungsstelle Fluchtpunkt und der Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche kritisieren: „Das ist keine Evaluation. Das ist eine einzige Rechtfertigungsschrift.“
Die Umstrukturierung der Behörde unter den Aspekten „Verfahrenstechnik“ und „humaner Umgang mit den Betroffenen“ ist 1997 im Koalitionsvertrag festgelegt worden. Der Bericht, der der taz vorliegt, beschäftigt sich aber vor allem mit Ersterem, der Begriff „humaner Umgang“ fällt auf den 27 Seiten nicht. Trotzdem hat sich für die Betroffenen viel verbessert – sagt der Bericht. Vertreter der Betroffenen wurden allerdings nicht dazu befragt. Anne Harms von Fluchtpunkt: „Der Bericht ist an vielen Stellen glatt gelogen.“
Beispiel Wartezeiten: Laut Bericht konnten sie „merklich verringert werden“. Schwangere oder Kranke würden „bevorzugt bedient“. Harms weiß von einer Schwangeren zu berichten, die Ende März mehrere Stunden warten musste, bis es ihr so schlecht ging, dass ein Krankenwagen gerufen wurde. Beispiel telefonische Erreichbarkeit: Wurde „deutlich erhöht“, sagt der Bericht. Harms dazu: „Wir wählen oft 12, 13 Nummern, bis überhaupt jemand abnimmt.“ Beispiel Duldungen: Werden, heißt es, „so lang wie möglich bemessen“. Harms dagegen: „Viele bekommen immer nur Duldungen weit unter drei Monaten – oder sogar nur von Tag zu Tag.“
Kritik üben Harms und der Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, Bernd Eichhorn, vor allem an dem Kapitel „Rückführungsangelegenheiten“. „Einziges Erfolgskriterium ist hier für die Behörde, dass die Abschiebezahlen erhöht wurden“, so Eichhorn. Da-raus macht der Bericht keinen Hehl: „Als Beleg für eine effizientere Sachbearbeitung kann der Umstand gelten, dass (...) 2000 (...) schon 119 Rückführungen nach Bosnien vollzogen wurden“ und „136 Personen nach Afrika, im Vorjahr waren es nur 62“. Fazit der Behörde: „Erhebliche Verbesserungen für alle Beteiligten.“
Als sachgerecht wird in diesem Zusammenhang auch die „Spezialisierung“ der Mitarbeiter auf das Fachgebiet Abschiebungen dargestellt. Flüchtlingsberatungsstellen und auch die GAL hatten diese immer wieder kritisiert und stattdessen eine „ganzheitliche Sachbearbeitung“ gefordert.
Der Bericht ist verfasst für die Deputation der Innenbehörde, dalso deren politisches Aufsichtsgremium. Eine Veröffentlichung lehnt der Senat ab. Die GAL-Abgeordnete Christa Goetsch begehrt in einer kleinen Anfrage die Gründe zu wissen, „trotz der Brisanz des Themas den Bericht nicht zu veröffentlichen und damit keine öffentliche Debatte der Ergebnisse zu ermöglichen“. Die Antwort des Senates steht noch aus.
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