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Rückkehr des Retortenteams

DEL-Titelverteidiger München Barons steht nach einem 3:1 gegen die Kassel Huskies vor dem neuerlichen Finaleinzug und befindet sich auch wirtschaftlich auf dem Weg der Konsolidierung

Der Zuschauerschnitt stieg unmerklich auf ligaweit Minusrekord- verdächtige 3.000

aus München THOMAS BECKER

Den meisten Menschen sieht man es an, ob sie ein Spiel gewonnen oder verloren haben. Der Blick leer oder finster, der Mund fest verschlossen. Frust runterschlucken, bloß nicht drüber reden. Es gibt aber auch andere Charaktere, bei denen weiß man nie so genau, was in ihnen vorgeht. Der deutsche Eishockeymeister München Barons, der im dritten Halbfinalspiel der DEL-Playoff-Runde die Kassel Huskies mit 3:2 besiegt hat und in der Serie 2:1 in Führung liegt, hat einige der zweiten Kategorie in seinen Reihen, vor allem in der Vereinsführung.

Da ist zum Beispiel Max Fedra, der Sportmanager. Der hat auf und neben dem Eis schon so einiges erlebt, ist eigentlich von nichts mehr zu überraschen. Der kann nach einer derben Heimniederlage genauso gut gelaunt sein wie nach einem triumphalen Sieg. Egal, und es ist wahrscheinlich noch nicht einmal geschauspielert. Oder Sean Simpson, der Trainer. Bei dem ist es umgekehrt. Der kann mit seinem Team nach einem tollen Halbfinalspiel vor fast ausverkauftem Haus auf dem besten Weg Richtung Titelverteidigung sein und dennoch danach einen Griesgram sondergleichen geben. „Diese ständige Miesepeter-Laune“, mault ein Fernsehjournalist nach einem typisch nichts-sagend-knorrigen Interview mit dem Coach, „der könnte sich auch mal freuen.“ Nichts da, erst mal aufs nächste Spiel konzentrieren, heute Abend in Kassel, wo man die Finalspiele erreichen will. Dort warten die Mannheimer Adler, die am Sonntag Hannover mit 6:1 abfertigten und ihre Halbfinalserie mit 3:0 Siegen gewannen.

Auch was in Detlef Kornett vorgeht, ist schwer zu ergründen. Der Eishockey-Europa-Beauftragte von Barons-Eigner Phil Anschutz würde wohl auch nach einer 0:7-Heimniederlage gegen Iserlohn vor 400 Zuschauern von einem Erfolg und einem Schritt in die richtige Richtung reden. Fragt man den Mann jedoch nach einem Halbfinalsieg nach seinem Befinden, antwortet er schnell: „Wir sind die Besten.“ Sehr amerikanisch klingt das, ein bisschen nach Pressekonferenz vor dem Kampf Tyson gegen Holyfield.

Sehr zufrieden ist Kornett mit der Arbeit der Dependance München, natürlich. „Das ist so ein Tag, an dem man sich mal zurücklehnen und zurückschauen kann auf die vielen Geschichten, auf den ganzen Dreck, der aufgewühlt wurde: Retortenmannschaft, der Etat wird gekürzt und so weiter. Und dann sieht man, dass das alles gar nicht gestimmt hat.“ Schon im übernächsten Satz sagt er jedoch: „Natürlich wird gekürzt. Wir müssen cleverer haushalten.“ Aber: „Wir haben erreicht, was wir wollten: Wir stehen deutlich besser da als im Vorjahr.“

Da wurden die Barons zwar Meister, hatten danach aber Besuch von den Finanzspezialisten des Anschutz-Konzerns und danach einen heftig geschrumpften Kader. Doch siehe da: „Wir haben wirtschaftlich einen Sprung nach vorne gemacht“, sagt Kornett, „auf dem Eis und daneben.“ In der Tat: Der Zuschauerschnitt stieg, wenn auch nur unmerklich auf ligaweit Minusrekord-verdächtige 3.000; die Werbeflächen auf Eis und Bande sind besser vermarktet als im Vorjahr; eine neue Lichtanlage soll für mehr Event-Charakter sorgen.

Und dennoch: „Es geht langsam, ganz langsam“, so Kornett, „wir müssen um jede Karte kämpfen, die wir verkaufen. Aber wir haben bewiesen, dass wir hier authentisch arbeiten.“ Die erste Saison sei ein Anschubjahr gewesen, die zweite diente der Konsolidierung, und im dritten, „da kann man schon mal ein bisschen experimentieren“. Das klingt spannend. Mit der Olympiapark GmbH besteht seit längerer Zeit eine Arbeitsgruppe, die sich Gedanken um den Bau einer neuen Halle macht; spruchreif ist aber nichts.

Auch die Trainerfrage ist ungeklärt: Bleibt der Meistermacher, oder geht er zurück in die Schweiz? Und wenn er geht: Wer kommt? Der Markt ist nicht gerade übervoll. Wie der Kader nächste Saison aussieht, wissen wohl nur Fedra und Kornett. Und denen wird man nicht ansehen, ob es eine verbesserte Mannschaft oder ein Sparteam werden wird.

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