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Sklaven bleiben Sklaven

Durch das gerade in Kraft getretene „Lei Pelé“ dürfen brasilianische Fußballvereine ihre Spieler nicht mehr wie Leibeigene behandeln. Das übernehmen nun geschäftstüchtige Spielervermittler

aus São Paulo STEFAN KUNZMANN

Als Anderson an jenem Montagmorgen aufwachte, fühlte er sich nicht freier als sonst. Der 28-jährige Vorstopper von Nacional, einer Mannschaft aus der zweiten Liga des brasilianischen Bundesstaats São Paulo, wusste nicht, ob er froh sein sollte über das neue Gesetz, das an diesem Tag in Kraft trat und das den brasilianischen Fußballspielern mehr Rechte einräumen soll.

Es hat einige Zeit gedauert, bis das von Pelé auf den Weg gebrachte und auch nach dem brasilianischen Fußballkönig benannte Gesetz unterschriftsreif war. Jahrelang wurde darüber verhandelt, herausgekommen ist eine nun von Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso unterzeichnete Kompromissformel, von den einen als Rettung, von den anderen als Sargnagel des brasilianischen Fußballs bezeichnet: Seit dem 26. März gelten die Spieler nicht mehr als „Eigentum“ ihres Clubs, der sie bislang nach Belieben an andere Vereine ausleihen konnte und ohne dessen Einwilligung sie nicht wechseln durften. Mit dem „Lei Pelé“ wurde einem fast 60 Jahren geltenden Anachronismus ein Ende bereitet, der es den Clubs erlaubt hatte, seine Spieler wie Sklaven zu behandeln.

So behaupten es zumindest die Befürworter und Nutznießer des neuen Gesetzes. Das sind vor allem die Spielervermittler, die jetzt ungehinderter aus dem Reservoir von rund 50.000 Spielern schöpfen können. Die Beziehung zwischen Spieler und Verein ist nun kein Besitz-, sondern nur noch reines Arbeitsverhältnis, dessen Verträge von drei Monate bis fünf Jahre befristet sind. Danach kann der Spieler wechseln, wohin er will – wenn er denn einen Verein findet.

Für Profis wie Anderson galt die „Freiheit“ auch schon früher, wenn auch bisweilen unfreiwillig: Der Vorstopper kickte von 1992 bis 1996 bei Gremio Mauaense, als der Club kein Geld mehr hatte, um seine Spieler zu bezahlen, durfte Anderson gehen – unter der Bedingung, dass er auf sein noch ausstehendes Gehalt verzichtete. Nach Gastauftritten in China und bei einigen brasilianischen Clubs landete er schließlich bei Nacional, wo er nun seit zwei Jahren für ein Monatsgehalt von 1.000 Reais (rund 1.100 Mark) gegen den Ball tritt. Vor kurzem wurde er am Knie operiert, ob er einen neuen Vertrag erhält, weiß er nicht, seine bisherigen Kontrakte galten stets nur sechs Monate. Etwas anderes als Fußballspielen hat Anderson nie gelernt.

Fußballer sein im Land des vierfachen Weltmeisters ist ein hartes Brot: 87 Prozent der Spieler erhalten höchstens das Doppelte des monatlichen Mindestlohns, das sind 360 Reais (rund 400 Mark). Zudem ist der Nationalsport Nummer eins ein Spiegel der brasilianischen Gesellschaft: Die Einkommen sind extrem ungleich verteilt. Nur 3,35 Prozent der registrierten Profis erhalten den zwanzigfachen Mindestlohn.

„Mit dem neuen Gesetz soll das angebliche Sklavenverhältnis der Spieler zu ihrem Verein aufgehoben werden. Dabei wechseln sie schon jetzt alle vier Monate den Club. Ohne Absicherung, ohne Schutz“, sagt der Vorsitzende der Profi-Gewerkschaft von Rio de Janeiro, Alfredo Sampaio. Andersons Vereinskameraden Andreir (27) und Bene (30) sehen das nicht anders. Am Ende ihrer Spielerkarriere stehen sie vor dem Nichts. „Am wenigsten von dem Gesetz haben die Spieler“, sagt Bene. Andreir meint: „Die Gewinner sind die Geschäftemacher. Die Spieler scharen sich um sie auf der Suche nach einem Club.“

Ob das neue Gesetz den brasilianischen Fußball retten kann, erscheint fraglich. Fast alle Vereine leiden unter Finanzproblemen, selbst die großen müssen Spieler verkaufen, um überleben zu können. Botafogo aus Rio konnte monatelang die Spielergehälter nicht mehr bezahlen, kaum besser erging es dem Nachbarn Vasco da Gama, wo Superstar Romario stürmt. Hinzu kommen Skandale um gefälschte Spielerpässe und der ewige Streit um den Campeonato Brasileiro, dieses Jahr auf 28 Mannschaften aufgestockt.Die Spieler hingegen suchen das Weite. Wer kann, geht nach Europa.

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