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Das Schlupfloch für die Atomwirtschaft

Die Transporte sichern den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Erst wenn der Müll zurückkommt, steigert sich der Widerstand

BERLIN taz ■ Der gestrige Transport war erst der Anfang: Hunderte von Behältern mit Atommüll werden in den nächsten vier Jahren noch zur Wiederaufbereitung nach Frankreich und England rollen. Insgesamt 495 TN-17-2- oder TN-13-2-Behälter (keine Castoren zur Endlagerung, sondern französische Behälter zum mehrfachen Gebrauch) sollen mit etwa 1.770 Tonnen Atommüll bis 2005 auf Reisen gehen. Wäre die AKW-Bewegung stark genug, die Transporte zu verhindern oder extrem zu verzögern, bekämen die deutschen Atomstromer ein echtes Problem: Ihre AKW litten dann an chronischer Verstopfung.

Ohne Transporte Verstopfung

Denn die AKWs sind auf das Schlupfloch Transporte angewiesen. Ohne sie liefen bald die Abklingbecken der Kraftwerke voll und die Reaktoren müssten vom Netz. Zwischenlager für den Müll sind zwar für 18 der 20 AKW beantragt, gerade wurde in Neckarwestheim das erste Interimslager genehmigt. Doch das braucht Zeit. Der Müll könnte auch direkt nach Gorleben geschafft werden, wie das bereits die Kraftwerke Krümmel und Obrigheim praktizieren. Die Lagerung am AKW oder in Gorleben „hätte betriebswirtschaftliche Vorteile gegenüber den Transporten“, gibt der Sprecher des Deutschen Atomforums, Christian Wilson, freimütig zu.

Warum dann die Transporte? Die Betreiber haben langfristige Verträge mit den Entsorgern, die sie nicht einfach kündigen wollen. Vor allem aber, so der Atomexperte des BUND, Klaus Traube, hätten die Betreiber Angst, jeden ihrer Transporte mit so viel Aufwand wie vor zwei Wochen nach Gorleben durchsetzen zu müssen. Das Kalkül: Transporte, die Deutschland verlassen, sind weniger umstritten als Atomzüge nach Deutschland. Dass der Müll sich in der Wiederaufbereitung vermehrt – alles, was bei der Behandlung anfällt, wird ebenfalls verstrahlt –, dass Plutonium anfällt, die Gegenden von La Hague und Sellafield verseucht werden und die gefährliche Fracht in insgesamt 166 Castoren als Bumerang nach Deutschland zurückkommt, zählt jetzt nicht.

Weniger Widerstand als in Gorleben

Das Kalkül scheint aufzugehen. Ein paar hundert Demonstranten, ein paar blockierte Gleise sind nichts im Vergleich zum tagelangen Ausnahmezustand im Wendland. Bei den Transporten zur Wiederaufbereitung dagegen haben die Protestler Mühe, sich wirksam auf die Transporte zu konzentrieren: „Wir können uns nicht vor jeden Zug setzen“, sagt Stefan Schurig von Greenpeace. Für ihn waren die Castoren nach Gorleben der „Dammbruch“, weil nun die Atomtransporte wieder losgehen. Ziel des Protestes müsse es weiterhin sein, die Wiederaufbereitung zu beenden und schneller als vorgesehen aus der Atomkraft auszusteigen.

Das Problem der Protestierer: Zu weit auseinander liegen die AKWs. Und im Süden gibt es nicht den traditionellen Widerstand gegen die Atomkraft wie im Wendland. Zu gering ist auch das Interesse der Öffentlichkeit, die sich mit dem Atomkonsens zufrieden gibt. Insider meinen daher, die Anti-Atom-Bewegung solle sich auf Gorleben konzentrieren. Je länger die Transporte zur Wiederaufbereitung rollen, desto häufiger werden auch die Castoren nach Gorleben kommen. Vor allem dürfe sich die Bewegung nicht verzetteln, warnen Anti-Atom-Strategen. Für die öffentliche Wahrnehmung sei es vielleicht sogar besser, wenn ab und zu Transporte ungehindert rollten. Das Schlimmste für die Außenwahrnehmung der Protestbewegung sei, wenn es „in den Nachrichten heißt, eine Handvoll Demonstranten waren da“. BERNHARD PÖTTER

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