Offene Zukunft
In zwei Jahren sollen an den Europaschulen die ersten Schüler in die Oberstufe. Dafür fehlt aber ein Konzept
„Die Schulpolitiker von SPD und CDU, Senator Böger und die Senatsschulverwaltung gefährden fahrlässig die Zukunftschancen von vielen tausend Kindern“, verkündete gestern die Europa-Union Berlin. Der Verein, der sich überparteilich für ein bürgernahes Europa engagiert, forderte den Senat auf, die noch immer fehlenden Regelungen für Gymnasialabschlüsse an den Staatlichen Europaschulen vorzulegen. Zudem warf die Europa-Union der großen Koalition vor, ihre Fürsorgepflicht den betroffenen Schülern gegenüber grob zu verletzen.
Tatsächlich wächst an den Europaschulen unter Lehrern und Schülern die Unsicherheit. Der erste Jahrgang besucht inzwischen die achte Klasse, aber keiner der Schüler weiß heute, wie die Oberstufe strukturiert werden wird und mit welchem Abschluss er die Schule verlassen kann.
„Solange es keine endgültige Regelung für ein Abschlussdiplom gibt, das den Schulabsolventen das Studium an einer Hochschule im jeweiligen Sprachpartnerstaat ermöglicht, steht zu befürchten, dass die Europaschulen ausbluten“, moniert Heinrich-Wilhelm Börmann von der Arbeitsgemeinschaft Internationale Schulen von Europa. „Und das, obwohl die große Koalition dies in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat!“
Auf Seiten der Schulverwaltung dagegen herrscht Gelassenheit: „Die Situation ist nicht akut, da kein Schüler von der achten in die elfte Klasse springen wird“, so eine Sprecherin von Schulsenator Böger. Außerdem habe es bereits Vorgespräche gegeben, damit über das strittige Thema noch vor der Sommerpause befunden werden könne.
Die Staatlichen Europaschulen wurden vor acht Jahren gegründet. Im Zentrum ihres Konzepts steht der bilinguale Unterricht: Die insgesamt 3.500 Schüler erlernen bereits ab der ersten Klasse neben der Muttersprache eine zusätzliche Fremdsprache. An 17 Europaschulen werden zurzeit neun Sprachen angeboten, darunter Englisch, Französisch, Russisch und Griechisch. Von den ähnlich strukturierten bilingualen Schulen unterscheiden sich die Europaschulen in der Intensität des Fremdsprachenunterrichts. Ihrer Paritätsregel gemäß müssen sowohl 50 Prozent der Schüler als auch der Lehrer Muttersprachler sein.
Dabei distanzieren sich die Europaschulen von dem Vorurteil, Eliteschulen zu betreiben. Sie rücken den Aspekt der Integration stärker in den Vordergrund. Insbesondere die Kinder von Spätaussiedlern können durch den zweisprachigen Unterricht schneller in der neuen Sprache eine zweite Heimat finden. Um diese Integrationsfunktion auch in Zukunft wahrnehmen zu können, kündigten die Europaschulen an, durch Demonstrationen den Druck auf die Senatsschulverwaltung zu verstärken. LOTHAR GLAUCH