Shiny unhappy People

■ Wahrscheinlich war es der magisch kesselnde Name „Kesselhalle“, der „Goethes Erben“ am Karfreitag, uff, den 13., im Schlachthof Mystik spielen ließ

Zu Goethe: Faust, der «nichts anderes als den Kräutertee des ewig Endlichen zustande brachte! Ein Hampelmann, dem das Gewand der Dämonie schlotternd um die dünnen Waden schlug, und der damit zur ergiebigsten Figur des Kasperletheaters wurde, zum Modell des einherwal-lenden, dunkelredenden, stabschwingenden Zauberers bei Kinderfesten. Erdgeister können wir alle heraufbeschwören, man braucht nur ein wenig verballhorntes Kirchenlatein zu können, sich das rechte Zeichen an den Hut zu malen und sich einen kleinen Hausaltar für die schwarze Messe zurechtzuzimmern, dann kommt einem auch flugs der Teufel ins Haus, mehrere sogar, subalterne Teufel freilich.‚ (W. Hildesheimer in den «Vergeblichen Aufzeichnungen‚)

Ein Zufallsfund, einige Stunden, bevor ich mir jene Band anschaute, die nach eigenen Aussagen «Musiktheater‚ macht, bei denen ein Song kein Song ist, sondern ein «Fragment‚ und eine Platte nicht mehr Platte heißt, sondern «Episodensammlung‚. Wie blöd klingt das denn, wenn man's mal Nick-Hornby-mäßig weiterdenkt: Hast du die neue Episodensammlung von Goethes Erben schon gehört?

Nun ja, die Assoziation mit dem Kasperletheater erwies sich als nicht gänzlich verkehrt. Die Jungs und Mädels auf der Bühne freuen sich einen Trekker, dass sie «mal wieder am Karfreitag‚ (der passenderweise auch der 13. ist) in Bremen spielen dürfen. Und die Jungs und Mädels vor der Bühne schauen sich an, wie es aussieht, wenn «nichts bleibt wie es war‚. Freuen sich außerdem, dass so viele gekommen sind. Denn sich schlecht fühlen ist zwar das Pathetischste, was ein menschliches Wesen tun kann – in Gesellschaft macht es aber doppelt so viel Spaß.

Droben springt Oswald Henke hin und her, übt sich in Bösartigkeit. Und damit die ganze Sache nicht doch zu lieb rüberkommt, erzählt er nochmal schnell, dass heute ja Karfreitag sei und wie passend das sei, und dass Goethes Erben just an diesem Tag immer gerne in Bremen spielen. Zwischendurch kommt dann mal der Sänger der Band «Wolfsheim‚ vorbei oder ein anderer hantiert so künstlerisch mit einer Flex herum, dass auch Rammsteins Mutter daran die größte Freude hätte. Nach dem missglückten Stahlgewitter folgt ein kurzes Theaterstück mit Begleitmusik. «Ich sitze auf einem Plastikstuhl, meinen Herzschlag kann ich hören‚, tönt es aus den Lautsprechern, während Henke auf einem Plastikstuhl sitzt und wir etwas hören, was klingt, wie ein zu laut geratener Herzschlag. Was das soll, verrät uns der Meister nicht, immerhin aber, dass es «drastisch‚ ist.

Vielleicht sind die Erben einst ins Musikbusiness getreten, weil sie ihre Seminararbeit über die Kältemetaphorik der Frühromantik nicht adäquat haben erledigen können. «Paradoxe Stille‚ – Fragezeichen. Oder auch, weil sich mit den kalten Herzen romantischer junger Menschen ganz prima Wohnung, Fernseher und ein paar Mal im Monat Chinarestaurant finanzieren lassen. Will ich aber auch gar nicht wissen. Jedenfalls schlägt die gemeine Dialektik zum Schluss nochmal eine Volte: «Dummheit gebiert Vakuum.‚ Na dann.

Tim Schomacker