Umarmungen für jeden Yankee

Kubas Regierung erwartet von US-Präsident Bush nur Schlimmes und hält sogar eine Invasion wie in der Schweinebucht für möglich. Mit freundlichen Gesten versucht Fidel Castro deshalb, in den USA die Opposition zur Embargopolitik zu stärken

aus Havanna TONI KEPPELER

So gut wie jeder halbwegs bekannte US-Amerikaner, der dieser Tage nach Kuba kommt, kriegt einen freundlichen Händedruck von Fidel Castro. Mit Kevin Costner ging er sogar ins Kino und schaute sich dessen Film „Thirteen Days“ über die Kubakrise von 1962 an. Hinterher lobte er den Schauspieler und Produzenten öffentlich. Privat jedoch, munkelt man in Havanna, habe sich der Staats- und Parteichef eher gelangweilt: Zu viele redende Männer im Film, und natürlich Geschichtsklitterung. Doch was zählt, ist die freundliche öffentliche Geste.

Seit der Republikaner George W. Bush in Washington regiert, ist man in Havanna froh um jeden Yankee, der sich umarmen lässt. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ist auf das Schlimmste gefasst. José Ross von der dortigen Amerika-Abteilung verliert den diplomatischen Plauderton, wenn er auf Bush zu sprechen kommt: „Dieser Herr verdient nicht das geringste Vertrauen“ und sei leider „auch nicht gerade sehr talentiert“. Zwar hat der US-Präsident bislang noch nichts Bedeutendes zum Verhältnis zu Kuba gesagt. Doch Bushs Berater lassen Ross erschaudern. „Die bedienen die reaktionärsten Interessen.“ Otto Reich etwa, ein Exilkubaner, der unter Reagan ein positives Bild der antisandinistischen Contra in Nicaragua schaffen sollte. In den vergangenen Jahren arbeitete er am so genannten Helms-Burton-Gesetz, einer Verschärfung des Handelsembargos gegen Kuba. Jetzt ist er Bushs wichtigster Einflüsterer in Sachen Lateinamerikapolitik.

Außenminister Colin Powell hat schon etwas gesagt: Castro sei „weiterhin derselbe Typ Mensch, der er in den vergangenen vierzig Jahren war“. Genau heute vor vierzig Jahren versuchten die USA, die Revolutionäre auf der Zuckerinsel mit einer Söldnertruppe von Exilkubanern zu stürzen. Die damalige Invasion in der Schweinebucht scheiterte jämmerlich. Doch Ross hält es für möglich, dass Bush heute auf ähnliche Ideen kommen könnte.

An den Bombenangriffen auf den Irak Ende März und am jüngsten Streit um das Spionageflugzeug mit China liest man in Havanna ab, wie Bush Außenpolitik zu machen gedenke. „Wir rechnen mit zunehmenden Spannungen“, sagt Ross. „Wer kann ausschließen, dass es zu ernsthaften Konfrontationen kommt, bis hin zur Dummheit einer militärischen Aktion?“

Havanna versucht gegenzusteuern. Die wenigen Erleichterungen der Blockadepolitik, zu denen sich Bushs Vorgänger Bill Clinton durchringen konnte, sollen genutzt werden, solange es geht. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben 120.000 US-Bürger Kuba legal besucht, obwohl das in den USA eigentlich verboten ist. Sie kamen durch eine Sonderregelung, die Journalisten, Wissenschaftlern, Studenten und Sportlern Kubareisen erlaubt. „Das ist ein guter Mechanismus, um die Opposition gegen Bush zu stärken“, sagt Ross.

Anfang April schrieben sich die ersten US-Studenten in der „Lateinamerikanischen Medizinschule“ in Havanna ein. Das Ausbildungszentrum für Ärzte sollte zunächst nur Stipendien an arme Länder vergeben. Jetzt steht sie auch Afroamerikanern offen, die sich zu Hause kein Studium leisten können. Ende März waren sogar ehemalige CIA-Agenten und Schweinebucht-Kämpfer da, um mit Castro über das damalige Desaster zu diskutieren. Der Staatschef nahm sich drei ganze Tage Zeit dafür.

Die Botschaft ist klar: Kubas Sozialismus bietet den Armen mehr Möglichkeiten. Und der alte Castro ist lange nicht so borniert wie Bush. Oder würde der etwa mit seinem Erzfeind einen intellektuellen Film ansehen, in dem fast nur gesprochen wird?