: Brauchen wir Juniorprofs?
JA.
Das Reformkonzept von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es bietet die Möglichkeit, verkrustete Strukturen an deutschen Hochschulen aufzubrechen. Es ist höchste Zeit zu handeln.
Mit einer Einführung der Juniorprofessur wird den Besten unter den Nachwuchswissenschaftlern die Chance geboten, nach der Promotion eine unabhängige Forschungsgruppe zu leiten. Das ist keineswegs revolutionär: In den USA wird dieses Prinzip seit Jahrzehnten mit Erfolg praktiziert. Schon jetzt gälte es weiterzudenken: Der nächste wichtige Reformschritt wäre die Einführung des tenure track, also der Möglichkeit, bei guter Entwicklung nach fünf bis sieben Jahren vom Junior- zum Seniorprofessor aufzusteigen.
Das derzeitige System in Deutschland ist dagegen antiquiert. Es hält die Nachwuchskräfte in Unselbstständigkeit, bis sie Ende 30 und älter sind. Erst dann entscheidet sich, wer eine unbefristete Stelle an der Hochschule bekommt. Diese unsichere Situation ist oft für die schlechte Stimmung unter Doktoranden und Promovierten verantwortlich. Sie führt dazu, dass der Nachwuchs scharenweise die Hochschulen verlässt – ins Ausland, in die Industrie oder in andere Berufszweige.
Das Argument, eine leistungsabhängige Professorenbesoldung würde den Nachwuchs von den Hochschulen vertreiben, ist nicht nachvollziehbar. Heutige Nachwuchswissenschaftler stehen transparenten Leistungskriterien allgemein sehr positiv gegenüber, sowohl bei der Besetzung von Professuren als auch bei leistungsabhängigen Gehaltsanteilen.
Abschreckend wirken jedoch lange Abhängigkeit, unsichere berufliche Perspektiven und willkürliche Hürden. Zu Letzteren gehört auch die Habilitation: Sie hängt mehr von persönlicher Ausdauer und vom Wohlwollen des Mentors als von der tatsächlichen wissenschaftlichen Leistung ab. Die Behauptung, die Habilitation sei ein „unverzichtbares Verfahren der Qualitätsfeststellung“, hat nur Gültigkeit, wenn man dem Rest der Welt die Fähigkeit dazu abspricht. Denn außer im deutschsprachigen Raum gibt es die Habilitation nirgends auf der Welt. Gelegentlich wird sie im Ausland sogar belächelt.
Ein weiterer positiver Aspekt der Hochschulreform wäre, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Universitäten verbessert würden. Es liegt in der Hand der Bundesländer, der Universitäten und der Fakultäten, diese Möglichkeiten zu nutzen. Flexible Gehälter für Professoren würden es den deutschen Hochschulen erlauben, mehr internationale Spitzenkräfte zu holen – vorausgesetzt, die Länder kommen für die Kosten auf. Die einzelnen Fakultäten sind gefordert, den Juniorprofessoren gute Bedingungen zu bieten und sie nicht etwa mit unverhältnismäßigen Lehraufträgen zu überlasten.
Klar ist: Die Universitäten mit den attraktivsten Angeboten werden so die besten Nachwuchskräfte anziehen.
Doch nicht für alle Missstände bietet das Reformkonzept Lösungen. Dass die deutschen Hochschulen chronisch unterfinanziert sind, ist hinlänglich bekannt. Im internationalen Vergleich der Bildungsausgaben nimmt Deutschland lediglich einen Platz im Mittelfeld ein – sicherlich keine adäquate Position für eine der führenden Industrienationen.
Und die Umverteilung von Forschungsgeldern zu Gunsten außeruniversitärer Großforschungseinrichtungen ohne Lehrauftrag verschärft die Situation an den Hochschulen, wo immer mehr Studenten auf eine zu geringe Zahl von Dozenten treffen.
Trotz seiner noch vorhandenen Lücken bietet das Konzept von Bildungsministerin Bulmahn viele Chancen. Nun ist es wichtig, den Reformprozess zügig in Gang zu setzen und so das Zeichen zum Aufbruch zu geben. Weitere Reformen werden dann folgen. WOLFRAM BRUNE, STEFAN SCHLATT
Die Autoren sind Mitte 30 und Nachwuchswissenschaftler, zurzeit an der US-Universität Princeton. Sie sind Unterzeichner eines Aufrufs von über 400 deutschen Wissenschaftlern, die sich für eine Reform des Dienstrechts im Hochschulwesen einsetzen.
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