: Integrationspolitische Katastrophe
■ Streit um Migrantenfamilien in der Kita-Card: Fachpolitiker von SPD und GAL lehnen Senatsdrucksache zur Reform ab
Es ist schon etwas merkwürdig. Da gibt der Senat vorige Woche eine Drucksache zum Stand der Kita-Card-Vorbereitungen heraus und die Fachpolitiker von SPD und GAL stehen nicht dahinter. „Ja, es gibt einen Dissens zwischen Senatsdrucksache und SPD-Jugendpolitikern“, räumte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer am Dienstag auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Kita 2000 – Sind Migrantenfamilien besonders betroffen?“ ein. Denn die Drucksache sieht vor, sonstige „soziale und pädagogische Bedarfe“ im ab 2003 geplanten Kita-Card-System an letzte Stelle zu stellen. Darunter fielen zweifelsfrei auch jene Einwanderer, die ihre Kinder in eine Ganztagskindertagesstätte schicken wollen, damit sie Deutsch lernen.
Da stellte sich dem Moderator Franz Scheurer die Frage, ob da nicht „integrationspolitisch eine Katastrophe“ drohe, zumal der Anteil an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern mit 17 und 30 Prozent unter den Migrantinnenfamilien besondern hoch sei. Da sei doch zu befürchten, dass „hier massenhaft Leute rausgedrängt“ würden. „Für uns ist Sprachförderung eines der Bewilligungskriterien“, versicherte Böwer: „Da werden wir im verstärken Maß ein Auge drauf haben, wenn wir die Kita-Card umsetzen“. Seine Partei werde in der Zeit von 2001 bis 2005 den Kita-Bereich „noch einmal kräftig ausbauen“.
Bereits im Herbst hatte es einen Streit zwischen der Ausländerbeauftragten Ursula Neumann und Kita-Chefplaner Jürgen Näther um die Stellung von Migrantenfamilien im Kita-Card-System gegeben. Das Jugendamt vertrat die Ansicht, dass Halbtagskindergärten ausreichend seien, um Kinder sprachlich zu fördern.
„Ich sehe auch, dass Kinder ein längeres Übungsfeld, also mindes-tens sechs, besser aber acht Stunden in der Kita bräuchten“, sagte die GAL-Politikerin Christa Goetsch. Gleichwohl verteidigte sie die Vorgesehensweise, zu dieser Frage zunächst ein Gutachten zu erstellen. So soll an Hand von 20 Kitas untersucht werden, wie Sprachkompetenz erworben wird und welche Konzepte sich dafür eignen.
Konzepte seien überflüssig, denn „es funktioniert längst“, hielt Volker Schmidt von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) entgegen. In vielen Awo-Kitas kämen Kinder aus bis zu 16 Nationen bestens miteinander aus und lernten „innerhalb von drei Jahren fließend Deutsch“. Da Kitas „die besten Sprachschulen“ wären, müssten gerade Plätze für Migrantenfamilien „besonders großzügig bewilligt werden“.
Kaija Kutter
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