Professuren statt Stipendien

Hamburg kappt Frauenförderung an der Uni für „Gender“-Studien  ■ Von Kaija Kutter

Wissenschaft ist Männersache. Zu diesem Schluss kommt, wer den Anteil von Frauen an Hamburgs HochschullehrerInnen betrachtet: Gerade mal 11,9 Prozent. „Desaströs“ nannte die Regenbogen-Abgeordnete Julia Koppke deshalb gestern auf einer Pressekonferenz die Tatsache, dass Hamburg die spezielle Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses eingestellt hat.

Ursache dafür ist das Auslaufen des Hochschulsonderprogramms III. Vier Jahre lang standen Hamburg jährlich 1,7 Millionen Mark zur Verfügung, mit denen insgesamt 93 Nachwuchsstellen finanziert wurden. Darunter erstmals auch 53 „Wiedereinstiegsstipendien“ für Frauen, die nach einer Kinderpause ihre wissenschaftliche Karriere fortsetzen wollen. Denn eben weil Familienphase und Forschungskarriere sich zeitlich überkreuzen, ist der Frauenanteil bisher so gering.

Auch künftig gibt es Geld vom Bund. Je 1,8 Millionen Mark erhält Hamburg in den kommenden drei Jahren aus einem „Bund-Länder-Fachprogramm“. Doch statt dies wie vorgesehen zu 75 Prozent in die Nachwuchsförderung zu investieren, finanziert die Wissenschaftsbehörde davon zehn Professuren für den neuen geschlechtsspezifischen „Gender“-Studiengang. „Wir begrüßen diesen Studiengang sehr. Finden es aber perfide, dass die Behörde hier das eine gegen das andere ausspielt“, sagte Koppke, die nun in der Bürgerschaft zusätzliche Mittel für die Nachwuchsförderung beantragen will.

Das Kappen der Frauenförderung sei „besonders dramatisch“, weil gerade jetzt ein Generationenwechsel in der Professorenschaft anstehe, kritisierte auch die Historikerin Kirsten Heinsohn. „Frauen, die gehofft hatten, die Nachfolge anzutreten, werden nun demontiert.“ Heinsohn hat für ihre Habilitation ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zum Thema „Geschlechtergeschichte in der Politik“ aufgebaut. Ihre Kollegin habe bereits aufgegeben und beim Arbeitsamt eine Umschulung beantragt. Da das Ende der Frauenförderung zeitlich mit bundesweiten Strukturveränderungen zusammentrifft – demnächst sollen so genannte Junior-Profs auch ohne Habilitation lehren dürfen – gebe es für sie auch von der Deutschen Forschungsgesellschaft keine Förderung mehr.

„Für die künftigen Junior-Professuren müssen Karrieren schnell und bruchlos verlaufen“, ergänzte die Politologin Claudia Lenz, deren Projekt ebenfalls vor dem Aus steht. Gerade Frauenbiografien seien aber nicht bruchlos, deshalb habe man mit den in Forschungsprojekte eingebundenen Wiedereinstiegsstipendien den richtigen Weg gefunden, um Frauen in die Wissenschaft zu integrieren. In der Wissenschaftsbehörde (BWF) ist man indes der Meinung, mit dem neuen Gender-Studiengang die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Wir haben neue Professuren geschaffen, weil hier der Frauenanteil deutlich geringer ist als bei den Nachwuchsstellen“, sagt BWF-Sprecher Karsten Gerlof.

Quer durch alle Fächer von Mathematik über Musik bis zur Architektur gibt es künftig zehn neue C3-Professuren, die Frauen für geschlechtsspezifische Lehre und Forschung zur Verfügung stehen. Für Nachwuchsförderung sei auf andere Weise gesorgt. So würde angestrebt, dass der Frauenanteil der Stipendien für Doktorarbeiten künftig mindestens dem der Hochschulabsolventinnen entsprechen müsse.

Für Julia Koppke ist dies nicht genug. „Die BWF sollte Frauenförderung und Gender-Studiengang miteinander verzahnen“, regt sie an. Mit der Schaffung der zehn Professuren könne man zwar einmalig „die Statistik verbessern. Aber es wächst nichts mehr nach“. Die Chance, die bevorstehende Ruhestandswelle für Frauen zu nutzen, wäre damit vertan.