Bei Radio Bremen wird der Maulkorb freundlich umgehängt

■ Intendant Heinz Glässgen: Ohne Erlaubnis sollen seine Wellen-Chefs nicht mehr reden dürfen

Dem Radio-Bremen-Intendanten Heinz Glässgen schmecken die Zeitungsberichte über die möglichen Abwanderungsgedanken der Programmdirektorin Claudia Schreiner nicht. Deshalb hat er jetzt doch eine Art verklausulierten Maulkorberlass verschickt. „Ich bitte Sie“, schrieb er in einem der taz vorliegenden Brief an die Chefs der vier Hörfunkwellen und an den Chefredakteur Fernsehen, „dafür Sorge zu tragen, dass in eigener Sache bei Radio Bremen erst dann Meldungen erfolgen, wenn sie unsererseits autorisiert sind.“ Freundlich und unter Anspielung auch auf die taz-Kolumne „Rosi Roland“ fährt er fort: „Falls Informationen, die unser Haus betreffen, weitergegeben werden können, werde ich Sie darüber sofort in Kenntnis setzen.“ Offenbar geht Glässgen davon aus, dass Radio-Bremen-MitarbeiterInnen die Gerüchte über Schreiners Zukunft weitererzählt haben.

Wie berichtet, soll der ehemalige Arbeitgeber Claudia Schreiners, der Mitteldeutsche Rundfunk mdr, Interesse an einer Rückkehr der Journalistin haben (vgl. taz vom 14.4.). Außerdem soll sie für den freien Chefposten der Deutschen Welle im Gespräch sein. Radio Bremen wollte dazu auch gestern fast nichts sagen. „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen“, kommentierte RB-Sprecher Michael Glöckner die Gerüchte.

Doch auch unabhängig davon wird im Sender über die Zukunft spekuliert. Mit einem Schreckensszenario hat die Gewerkschaft IG Medien jetzt für Wirbel gesorgt. In fünf Jahren könne der Sender trotz der geplanten Reformen nur noch anderthalb eigene Programme sowie das Regionalmagazin „buten & binnen“ finanzieren, schrieb die Gewerkschaft in die Einladung zur Mitgliederversammlung gestern Abend. Diese Zahlen stammen von der Unternehmensberatung Roland Berger. „Stimmt“, sagt RB-Sprecher Glöckner, „aber das ist das Worst-case-Szenario ohne Reformen.“ Trotzdem geht Glöckner davon aus, dass Intendant Glässgen diese Szenarien bei der heutigen Rundfunkratssitzung erneut vorstellt, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Unterdessen werden die Angriffe aus Bayern auf den kleinsten ARD-Sender nach längerer Sendepause wieder lauter. „Die in Bremen können machen, was sie wollen – nur nicht mit bayerischem Geld“, sagte der Vorsitzende der CSU-Medienkommission, Markus Söder, den Nürnberger Nachrichten. Die CSU will den nach Söders Auffassung „höchst ungerechten Finanzausgleich“ in der ARD erneut ändern, wenn darüber 2004 wieder verhandelt wird.

Erst 1999 hatten die MinisterpräsidentInnen der Länder den Rundfunk-Finanzausgleich zwischen den großen und kleinen ARD-Sendern bis 2005 schrittweise halbiert. In der Folge muss RB rund 50 Millionen Mark oder über ein Viertel seines Etats sparen. ck