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Das Comeback der Haushaltslöcher

Sinkende Steuerschätzungen und zu stopfende Löcher kennzeichneten die Schlussphase der Kohl-Regierung. Nun drohen auch Eichel Haushaltslöcher. Doch die Finanzpolitiker der Koalition bleiben gelassen: Die nötigen Milliarden fänden sich schon

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Obwohl die Steuerschätzung erst Mitte Mai erwartet wird, blühen bereits die Spekulationen, wie die Regierung damit klarkommt. Mögliche weitere Kosten für Bundeswehr, MKS-Tiergräber, BSE-Schlachtprogramme oder Kindergeld, so vermuten Journalisten und hoffen Oppositionspolitiker, könnten den Sparhaushalt von Finanzminister Hans Eichel (SPD) aus den Fugen geraten lassen. Doch die Finanzpolitiker der Regierung geben sich cool: Die Löcher seien zu stopfen – wenn man sparsam bliebe.

Die Steuerschätzung im Mai wird aller Voraussicht nach ergeben, dass dieses Jahr mehrere Milliarden Mark an Steuereinnahmen im Haushalt fehlen werden. Der Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven etwa hält „ein Risiko von 7 bis 8 Milliarden Mark für realistisch“. Der Grund: Die Wirtschaft wird in diesem Jahr allen Prognosen nach nur um knapp über 2 Prozent statt 2 [3]/4 Prozent wachsen. Außerdem weiß bisher keiner genau, wie die Steuerreform sich auswirken wird.

„Eichel will mehr Schulden machen“, titelte die Berliner Morgenpost gestern. Doch Eichels Sprecher Jörg Müller dementierte: „Es gibt weder Pläne für eine Neuverschuldung noch für eine Haushaltssperre oder einen Nachtragshaushalt.“ Es bleibe bei der geplanten Neuverschuldung von 43,7 Milliarden Mark.

Im Ministerium hält man die Sache für halb so wild. Schließlich hätten auch im Etat 2000 5 Milliarden Mark gefehlt – Geld für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und für den Heizkostenzuschuss, den der Kanzler letzen Herbst mal eben beschlossen hatte. Müller: „Die 5 Milliarden haben wir mit den Überschüssen aus der Bundesanstalt für Arbeit gegenfinanziert.“

Auch die Grünen sehen keinen Grund zur Panik: „Man kann solche Summen nie genau vorhersagen“, hieß es aus der Fraktion. Bei geschätzten Steuereinnahmen von 385 Milliarden Mark lägen Fehlbeträge von 7 bis 8 Milliarden im Bereich der normalen Abweichung „von rund 3 Prozent“. Ohnehin betreffe nur die Hälfte der erwarteten Ausfälle, also rund 4 Milliarden Mark, den Bund – „ein Loch, das sich stopfen lässt“. Dazu werde man zunächst Geld nehmen, das an anderer Stelle nicht abgeflossen sei. Zum Beispiel die Beamtenversorgung: Die sei großzügig mit 17,4 Milliarden Mark in den Haushalt eingestellt worden – womöglich wird 1 Milliarde davon gar nicht benötigt. Oder bei den Hermes-Exportbürgschaften: Auch da werden die deutschen Exporteure schätzungsweise nicht die gesamten 5 Milliarden Mark abschöpfen, die die Regierung ihnen zur Absicherung ihrer Auslandsgeschäfte zur Verfügung stellt. Im Notfall könne man auch auf die Erlöse aus Privatisierungen, etwa der Bundesdruckerei, zurückgreifen.

Die Grünen wollen daher strikt am Sparkurs festhalten – strikter als so mancher SPDler. So sehen sich viele Grüne als die eigentlichen Unterstützer Eichels. Und sie hoffen, dass der Kanzler die Begehrlichkeiten diverser Ressorts rechtzeitig mit einem „Basta“ stoppen werde. Bereits am Wochenende warnte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Oswald Metzger, davor, „das Füllhorn der Leistungsversprechen“ zum Wahlkampf auszuschütten.

Aus dem Arbeitskreis Haushalt der CDU-Fraktion hingegen ist zu hören, man könnte mit einer Defizit-Erhöhung leben – „aber nur, wenn das auf weitere Steuererleichterungen zurückzuführen ist“. Weitere Ausgaben dürften jedoch nicht über Neuverschuldung finanziert werden.

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