: Zuckerbrot und Peitsche vom Amt
In Schweden wird auf Langzeitarbeitslose sanfter Druck ausgeübt: weniger Geld bei mehr Engagement
STOCKHOLM taz ■ Das Zauberwort heißt Aktivitätsgarantie. Mit dem gleichnamigen Programm versucht die schwedische Regierung seit dem 1. Juli vergangenen Jahres, den kostenaufwändigen Kreislauf aus Langzeitarbeitslosigkeit, Weiterbildung, kurzfristiger Probeanstellung und erneuter Arbeitslosigkeit zu durchbrechen.
Stand früher „Ausversicherung“, also Sozialhilfe, am Ende der Betreuung durch das Arbeitsamt, werden jetzt die Hilfestellungen für Arbeitsuchende an diesem Punkt eher verstärkt: Der Arbeitslose bekommt einen persönlichen Ausbilder, für ihn wird ein Beschäftigungsplan erstellt und in Form eines Vertrags unterzeichnet. Jeden Tag hat er pünktlich zu erscheinen, um eine Mischung aus Fortbildung, Arbeitsplatztraining, Sprachkursen und Arbeitssuche zu absolvieren. Bei Nichterfüllung des Vertrags droht Geldkürzung.
Die etwa 4 Prozent Arbeitslosen in Schweden haben 300 Arbeitstage, also etwa 14 Monate, Anspruch auf Arbeitslosengeld. In dieser Zeit beträgt die Hilfe 80 Prozent, die Kappungsgrenze liegt bei einem vorangegangenen Einkommen von umgerechnet 4.000 Mark. Der Tageshöchstsatz beträgt 150 Mark. Für die arbeitslose Lehrerin bleiben also nur 65 Prozent.
Der ersten Arbeitslosengeldperiode kann eine weitere von ebenfalls 300 Arbeitstagen folgen. Für diese sinkt das Erstattungsniveau aber um weitere 10 Prozent, die Anforderungen an örtliche und berufliche Flexibilität wachsen. Das Ablehnen einer „zumutbaren“ Arbeit kann mit einer 25-prozentigen Kürzung für 40 Tage bestraft werden. Im Wiederholungsfall drohen 50 Prozent, beim dritten Mal eine totale Sperre.
Nach einem Dreivierteljahr Erfahrung ist es noch zu früh, Bilanz zu ziehen. Gezeigt hat sich aber, dass sowohl der nachweisbare Erfolg dieser Aktivitätsgarantie als auch deren Beurteilung durch die Arbeitslosen selbst extrem schwankt. Von „das Beste, was mir passieren konnte“ bis zu „sinnlose Beschäftigungstherapie“ reichen die Einschätzungen der Langzeitarbeitslosen. Entscheidend ist wohl auch hier, wie die persönlichen ArbeitsberaterInnen ihre vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten ausschöpfen.
Während die Regierung das Modell wegen der positiven Entwicklung der Arbeitsmarktstatistik als Erfolg feiert, gibt es auch skeptische Stimmen. „Der positive Beschäftigungseffekt ist auf die Konjuktursituation zurückzuführen“, meint Rune Åberg, Soziologieprofessor an der Universität Umeå. Seine Studien mit Arbeitslosen zeigen, dass es vor allem Alter, Ausbildung und Berufserfahrung sind, die die Dauer der Arbeitslosigkeit steuern, und nicht Zuckerbrot und Peitsche in Form der Aktivitätsgarantie. REINHARD WOLFF
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