: Diepgen und die „Schmierfinken“
Justizsenator Diepgen startet erneut eine Gesetzesinitiative gegen „Schmutzfinken“, die gegen den Willen von Eigentümern Hauswände verändern. Bislang ist Sprayen nur strafbar, wenn die Substanz der Wand beschädigt wird
Das Land Berlin will in einem zweiten Anlauf die juristische Verfolgung von Graffiti-Schmierereien verbessern. Künftig solle eine Bestrafung der Täter bereits möglich sein, wenn durch die Sprayereien das Aussehen etwa von Häuserwänden gegen den Willen des Eigentümers verändern wird. Entsprechende Pläne für eine neue Gesetzesinitiative stellte die Justizverwaltung gestern vor. Bislang ist Sprayen nur strafbar, wenn die Wand in ihrer Substanz beschädigt wird.
Eine ähnliche Initiative gegen das „Graffiti-Unwesen“ hatte der Bundestag vor einem Jahr mit den Stimmen der rot-grünen Koalition sowie der PDS abgelehnt. Die Koalitionsfraktionen argumentierten, dass es schon jetzt möglich sei, Graffiti als Sachbeschädigung strafrechtlich zu verfolgen, und dass es fraglich sei, ob die Einführung des Merkmals des „Verunstaltens“ die strafrechtliche Würdigung von Graffiti-Taten erleichtere, da mit Blick auf den Kunstbegriff eine solche Verunstaltung nicht objektiv definiert werden könne.
Justizsenator Eberhard Diepgen (CDU) begründet seinen zweiten Anlauf damit, dass das Stadtbild zunehmend verunstaltet werde. „Gerade in Großstädten wie Berlin verbreiten sich die ‚Schmierfinken‘ zunehmend in einem gesetzlichen Schlupfloch“, erklärte der Regierende Bürgermeister. Bei der geplanten Gesetzesinitiative soll es für die Strafwürdigkeit künftig nicht mehr auf die Substanzverletzung ankommen, sondern „auf die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers, dem allein das Recht zusteht, über die äußere Beschaffenheit einer Sache und ihren ästhetischen Ausdruck zu bestimmen“. Der Inhalt der neuen Gesetzesinitiative sei im Vergleich zu der vorherigen konkretisiert worden.
Das Berliner Kammergericht hatte im August 1998 entschieden, dass Graffiti-Sprayer nur noch dann bestraft werden dürfen, wenn ihre Schmierereien eine Substanzbeschädigung der bemalten Oberflächen bedeuten. Damit hatte das Gericht die Hürden für die Strafbarkeit der Schmierereien deutlich erhöht und eine Diskussion zum Thema entfacht. Nach Justizangaben müssen in der Regel Sachverständige eine Substanzbeschädigung „unter hohem Ermittlungs- und Kostenaufwand“ nachweisen. Auch die Beseitigung von Graffiti ohne Substanzverletzung könne hohe Kosten verursachen und das Eigentumsrecht „erheblich“ beeinträchtigen.
Die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Jeannette Martins, übte gestern Kritik an dem erneuten Vorstoß. „Jugendliche, die ihre Kreativität ausleben wolen, werden kriminalisiert und der ohnehin überlasteten Staatsanwaltschaft wird Mehrarbeit aufgehalst.“ Sie warnte: „Keine Wand wird unbesprayt bleiben, weil staatsanwaltliche Verfolgung droht.“ Stattdessen sollten Sprayer verpflichtet werden, den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. WAHN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen