: Der Krieg zwischen uns
■ Gegenentwurf zu US-amerikanischen Vietnamfilmen: „Doi Cat“ im Metropolis
„Dafür würde ich alles geben, woran ich glaube, alles was ich habe, all meine Vorstellungen“, sagt der gelähmte Vietnamveteran Ron Kovik in Geboren am 4. Juli. „Nur um meinen Körper wieder zu kriegen, nur um wieder ganz zu sein.“ Das Trauma des Vietnamkriegs zieht sich in den meisten US-amerikanischen Spielfilmen zum Thema mitten durch einen männlichen Körper. Von Taxi Driver über Birdy bis zu Geboren am 4. Juli erscheint die Erfahrung des Vietnamkriegs wie ein Riss durch Leib und Seele – ein Makel, der als Gespaltenheit, Verlust und Verlorensein durch einen Körper sichtbar wird.
Der vietnamesische Spielfilm Doi Cat (Auf Sand gebaut) von Nguyen Thanh Van entwirft dazu eine Art soziales Gegenmodell: Dort geht es nicht um das Drama eines Körpers, sondern um die Dramen zwischen verschiedenen Körpern.
Nach der Wiedervereinigung beschließt Canh, seine junge Frau Tam und ihre gemeinsame Tochter im Süden Vietnams zu verlassen, um zu seiner ersten Frau Thoa in den Norden des Landes zurückzukehren. Zwanzig Jahre zuvor war er nach der Schlacht von Dien Bien Phu von Thoa getrennt worden, die seitdem voller Hoffnung auf ihn gewartet hat. Die Folgen des Krieges erhalten bei Canhs Rückkehr Gesichter: Freunde und Nachbarn leiden an ihren Verletzungen, und eine vergangene Liebe, die längst einer neuen Geschichte Platz gemacht hatte, kehrt in die Gegenwart zurück. Als schließlich Canhs neue Familie ebenfalls in Thoas Dorf eintrifft, wird der Konflikt unvermeidlich. Zwei Leben fallen plötzlich in eins, zwei Familien stehen sich gegenüber, von denen keine aufgehört hat, zu existieren.
Zwischen Liebe, Eifersucht, Entfernung und Nähe beschreibt Doi Cat eine Bewegung, die vom Dazwischen handelt; von dem, was trennt und was verbindet, wobei der Krieg die radikalste und grausams-te Form der Trennung bedeutet. Weil es also eigentlich um Liebe geht, um den Wunsch danach und um ihre Verhinderung, verleiht Doi Cat jeder seiner Figuren eine Komplexität, die kein eindeutiges Bild „des Krieges“ entstehen lassen will. Hier gibt es keine Exklusivbeziehung zum „Trauma Vietnamkrieg“.
Stattdessen werden Beziehungen sichtbar und Wege zurückgelegt, die zunächst immer wieder in die Trauer und in die Unmöglichkeit zu führen scheinen. „Du hast keine Beine und ich nur eins,“ erklärt der Veteran Huy der verliebten Hao, „so können wir nicht leben!“ Wie das möglich sein soll, zusammen leben, darum geht es allen in diesem Film. Am Ende werden nicht mehr als Entwürfe bleiben, die vor allem zeigen, was nicht geht. Vielleicht ist das die größte Stärke von Doi Cat: Vom Wunsch nach Einheit mit sich und anderen zu erzählen und dabei zugleich vom Riss zu handeln, den der Krieg zwischen allen hinterlassen hat.
Jan Distelmeyer
morgen, 21.15 Uhr + Mittwoch, 25.4., 17 Uhr, Metropolis
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