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„Schlaffizeiten sind vorbei“

Bad taste: Ausgerechnet Guildo Horn soll die Jugend für Bildung und Bafög begeistern

Edelgard, oh Edelgard. Was ist das denn für eine bescheuerte Idee? Nein, nicht die Idee mit der Bafög-Reform. Die ist sehr gut. 80.000 junge Menschen mehr bekommen Ausbildungsförderung. Und müssen dann vom Darlehen nur noch maximal 20.000 Mark zurückzahlen. Aber die Idee mit der Leitfigur für das Bafög. Der angestrengt ernsthafte Typ, der da vom Kampagnen-Plakat herabblickt: Es ist Guildo Horn. Ach, Edelgard.

Guildo, der Botschafter der Bafög-Reform. Stottert immer noch seinen Bildungskredit ab. Ist aus Versehen Schlagerstar geworden. Und jetzt soll Guildo allen Ernstes jungen Erwachsenen die frohe Botschaft der Bafög-Reform verkünden. Mit einer tiefen Furche auf der Stirn und dezentem Anzug soll „Guildo Horn, Diplom-Pädagoge“ – des Meisters Titel auf dem Plakat – den Jungen Mut machen. Nur leider, Guildo, schaffst du es nicht wirklich, uns zu überzeugen. Leider ist da immer noch dieses Flusenhaar, dieser verknautschte Blick, dieses Grand-Prix-Lächeln.

Wenn wir an gute Ratschläge denken, dann denken wir leider nicht an dich. Und auch die sparsamen Äußerungen bei der Pressekonferenz mit Edelgard Bulmahn mögen zwar von deinem Einfühlungsvermögen in die trendige Sprache der Jugend zeugen (ein Erbe aus deiner Pädagogikzeit?), aber sicher nicht von einer Fähigkeit zu überzeugen. „Sich zu bilden macht Spaß“. „Bildung ist in – die Schlaffizeiten sind vorbei.“ Für wen, fragt man sich, sind die Schlaffizeiten vorbei? Für dich, weil du bald deine Bafög-Schulden begleichen willst? Wie du ja selbst gesagt hast: „Da muss man viel singen.“

Das Image des Bafögs soll mit Guildo also besser werden – das ist Edelgards Wunsch. Doch was ist mit der Antrags-Ochsentour? Wer das Bafög-Verfahren schon mal mitgemacht hat, weiß, wie langwierig und kompliziert das Procedere ist. Und leider wird genau dieser wunde Punkt, der anscheinend so viele junge Menschen abschreckt, mit der Reform nicht gelindert. Glaubt man Bulmahn, stellen nur 60 Prozent aller Bafög-Berechtigten den Antrag. Die übrigen 40 Prozent sind dann wohl die Schlaffis, die Guildo aus dem Dämmerschlaf reißen soll. Sind sie etwa entmutigt von der Last der Formalien? Oder aber schlecht informiert über ihre Rechte?

Das mit der Information soll seit dem 1. April, dem Tag an dem die Plakataktion startete, besser werden – nicht nur für die potenziellen Nutznießer, sondern auch für „Eltern, Freunde, Mitschüler“. Eltern? Sie sehen Guildo, einen der schrillsten Vögel der Nation, nun als Bafög-Botschafter. Und wähnen ihre Kinder auf ähnlichem Pfad zur Selbstverwirklichung.

Es beschleicht einen das Gefühl, Bulmahn hätte sich das Weltbild und die Idole der Zielgruppe nicht gut genug angesehen. Denn unter den jüngeren Adressaten der Plakatkampagne sieht es mau aus für den Meister. Am Siegtal-Gymnasium in Eitorf (NRW) durften die Schüler schon vor Jahren ihre Kommentare zu Guildo Horn ans schwarze Brett schreiben. Das Ergebnis wurde im Juni 1998 in der Schülerzeitung veröffentlicht: 68 Prozent bewerten Guildo negativ, mit Kommentaren wie „der sollte sich mal waschen“ oder „peinlich“. Also Edelgard, vielleicht solltest du dir einen besseren Lockvogel suchen. Ehemalige Bafög-Empfänger, die es zu was gebracht haben, dürften unschwer aufzutreiben sein. Nicht zuletzt gehörst du selbst ja zu ihnen.

ANNA HOLZSCHEITER

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