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Richtig dicke Nüsse

HipHop zum Knuddeln für die Kinder der Sesamstraße: Die Beatnuts spielen im Tresor

HipHop ist nicht gerade für Fantasie und Verspieltheit berüchtigt. Weswegen wohl auch das letzte Album von Outkast so ein Erfolg war, weil es sich souverän über scheinbar steinerne Genregrenzen hinwegsetzte. Seit den seligen Tagen, als De La Soul das Soundarsenal von Zeichentrickserien plünderten, regieren im Rap epischer Gangsta-Funk und knochentrockener Ostküstensound.

Dazwischen, so schien es, war kaum Platz für nach neuen Sounds und Ideen suchenden, für humorvollen HipHop, kein Platz für die Beatnuts. Das Duo aus Queens blieb das, was es immer war: eher unbekannt. Trotz prominenter Verbindungen und erstklassiger Credits.

Aktiv waren die Beatnuts als DJs bereits in den frühen 80er-Jahren. Noch zu dritt waren sie, als ihnen die Jungle Brothers höchstselbst Anfang der 90er die ersten Jobs als Beatbastler und Soundtüftler verschafften. Mittlerweile haben sie für Cypress Hill, Naughty by Nature, Ice-T, MC Lyte, Da Lench Mob oder Missin’ Linx produziert und arbeiteten mit Dead Prez, Common und diversen Wu-Tangs wie Ghostface Killa, Reakwon und Method Man. 1997 nahm man mit dem mittlerweile verstorbenen Big Punisher „Off the Books“ auf und wurde mit dem auf einem Sample aus der Sesamstraße basierenden Track in den USA erstmals auch einem etwas breiteren Publikum bekannt.

Ihr Sound ist bestimmt von hellen, fast schon kindlichen Klängen. Mundharmonika, Flöten oder Glocken werden zweckentfremdet, ein fröhliches „Ba-ba-ba“ aus gesampelten Frauenstimmen bestimmt den Groove. Die meisten Samples allerdings sind erst gar nicht zu rekonstruieren, fallen aber stets aus dem Erwartungsrahmen. „Ill“ nennt man das in Fachkreisen, und es ist kein Wunder, dass selbst die britischen Pop-Spinner von der Beta Band die Beatnuts als einen ihrer liebsten HipHop-Acts angeben.

Aber: Was für uns ironisch und innovativ klingt, ist für Junkyard Juju, die eine Hälfte der Beatnuts, vor allem „roh und underground“. Kollege Psycho Les befürchtete im HipHop-Zentralorgan The Source dagegen: „unser Scheiß war viel zu abgehoben, viel zu viele konnten den Kram gar nicht verstehen.“

Was man von den Texten nicht behaupten kann: Die beiden begannen, ihren kolumbianischen und dominikanischen Wurzeln verpflichtet, dereinst mit Party-Tracks. Und inhaltlich hat sich da bis heute auch nicht viel geändert: Immer noch geht es vor allem um Saufen und Kiffen, Frauen und Sex. Der Humor, den sie in ihren Beats und Samples ständig demonstrieren, geht ihnen textlich meistenteils ab, und sozialkritisch oder gar politisch zu werden liegt ihnen erklärtermaßen fern.

Immerhin endet das letzte Album, „Take It Or Squeeze It“, mit einem kleinen Dialog, den man auch als ironischen Kommentar zum in der Szene grassierenden Sexismus verstehen kann. Sie: „Ich könnte jetzt einen dicken, steifen Schwanz gebrauchen.“ Er: „Wir haben uns doch gerade erst getroffen, wir müssen uns erst noch besser kennen lernen.“

Wie auch immer, eine besondere Qualität haben die Beatnuts: Neben ihnen hört sich viel zu viel HipHop momentan an wie lieblos zusammengeschusterte Meterware.

THOMAS WINKLER

Heute, 21.30 Uhr, im Tresor, Leipziger Straße 126 a, Mitte

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