piwik no script img

daumenkino„Diamonds“

Kinnreckereien

Eigentlich haben sie in Amerika äußerst effektive Techniken entwickelt, ihre Rentner vom öffentlichen Leben fern zu halten. Man schickt sie nach Florida, wo die Verbannten dann in gut gesicherten Siedlungen durch penetrant gutes Klima ruhig gestellt werden.

Manchmal aber verfangen diese Strategien nicht. So bei Kirk Douglas, mittlerweile 84 Jahre alt. Anstatt sich gepflegt zur Ruhe zu setzen, turnte er weiter durch die Medien, spielte in TV-Filmen, schrieb Bücher, gründete Stiftungen und begab sich auf Goodwill-Tourneen für gute Zwecke. Selbst ein Absturz mit einem Hubschrauber und ein Schlaganfall vor sechs Jahren konnten ihn nicht stoppen.

Irgendwann war Hollywood weich geklopft und ließ den alten Herrn wieder einen Film drehen. In „Diamonds“ brachte er die Erfahrungen mit den Sprachschwierigkeiten nach dem Schlaganfall ein in die Rolle des ehemaligen Boxweltmeisters Harry Agensky. Der macht sich mit Sohn und Enkel auf die Suche nach einem Diamantensäckchen, das er einst von einem Mafiosi dafür bekam, einen Kampf absichtlich zu verlieren. Auf der Reise werden innerfamiliäre Probleme und sexuelle Verklemmungen gelöst sowie Opas Altersversorgung gesichert.

Da der alte Herr in „Diamonds“ einen Exboxer spielt, können für die Rückblenden praktischerweise Ausschnitte aus „Champion“ von 1950 verwendet werden. Lauren Bacall machte auch mit – aus alter Verbundenheit zu Douglas und weil sie exakt 50 Jahre nach „Young Man With A Horn“ mal wieder mit ihm zusammen spielen wollte.

Regisseur John Asher fällt trotzdem nicht mehr ein, als die üblichen Mein-Vater-hat-mir-nie-gesagt-dass-er-mich-liebt-Dialoge in der Halbtotalen abzufilmen. Zu großer Form kommt das Trio schließlich bei einem Ausflug ins lokale Bordell, wo reihenweise Nutten mit Herz und philosophischer Grundausbildung warten.

Zwar bemüht sich Douglas, sein berühmtes Kinn so dynamisch wie früher zu recken, trotzdem hat auch er kaum mehr zu bieten als den zugegebenermaßen beachtlichen Mut, das Alter und den eigenen Verfall vor die Kamera zu bringen.

TOMMI WINKLER

„Diamonds“. Regie: John Asher. Mit: Kirk Douglas, Lauren Bacall u. a. USA 1999, 93 Min.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen