Elefanten auf dem Eis

Am Wochenende beginnt in Deutschland die Eishockey-Weltmeisterschaft. Immerhin, viele haben es jetzt sogar mitbekommen und wollen den Underdog Deutschland zum Klassenerhalt brüllen

aus Köln BERND MÜLLENDER

Doch wirklich, Eishockey-Weltmeisterschaft. Puckraserei der Kufenkünstler und Raubeine hier in Deutschland. In Köln, Nürnberg und Hannover, wo am 13. Mai, mitten im kalendarischen Hochfrühling, das Finale stattfindet. Ein Sportereignis der Superlative – und viele kriegen es eher zufällig mit. Am Samstag (15.15 Uhr) geht es los mit dem richtungsweisenden Spiel der traditionell stark abstiegsgefährdeten Deutschen in der riesigen Kölnarena gegen die Schweiz.

Eishockey, das faszinierend flinke Spiel harter Kerle, war in Deutschland mal Mannschaftssport Nr. 2, zu Zeiten von Alois Schloder, Udo Kießling, der DDR-Legende Joachim Ziesche und des langen Landshuters Erich Kühnhackl. Heute ist die Puckjagd traurigerweise eine Randsportart. Aus vielerlei Gründen. Eishockey ist seit Jahren aus dem breiten öffentlichen Bewusstsein ausgegliedert worden. TV-Übertragungen gibt es nur noch im Spartenfernsehen, diese WM wird live fast ausschließlich beim Abo-Sender Premiere World übertragen (ganze drei der 56 Spiele laufen als Kirch’sches Appetithäppchen bei Sat.1). Und mehr, ließ die Kirch-Gruppe schon verlauten, wird es selbst dann nicht, wenn sich die Deutschen sensationellerweise bis an die Viertelfinals heranchecken sollten. Bei Premiere möchte man den Vorwurf der Sport-Meuchelei nicht hören: Früher, sagt ein Sprecher, hätten ARD/ZDF doch mitten im dramatischsten Spiel zur heiligen „Tagesschau“ zurückgegeben. Etwa beim Penalty-Drama bei Olympia 1992, als Peter Draisaitls Puck auf der Linie liegen blieb und so das Halbfinale um Millimeter verpasst wurde.

Premiere World hat keine Tagesschau. Zudem ist das deutsche Eishockey in den 90er-Jahren streng nach US-Vorbild kommerzialisiert worden. Die DEL, unabhängig vom Verband DEB, erstickt dabei an ihrem aufgeblasenen Volumen: 60 Ligaspieltage gibt es allein vor den Play-offs, weil die 16 lizensierten Kufenfirmen so viele Eventtermine brauchen, um ihre Etats notdürftig zu decken. Pausenlos fliegt das Hartgummi, aber außer den eingefleischten Fans kriegt es kaum jemand mit. Eine Insider-Disziplin im Getto des Abo-TV. Immerhin: So blieben auch die regelmäßigen Finanzskandale Randnotizen: in Düsseldorf und München Pleiten und trickreiche Klubneugründungen, in Krefeld Trainer und Spieler mit sechsstelligem Halbjahressalär in städtischen Sozialwohnungen, Insolvenzgefahr zuletzt sogar bei Meister Mannheim und ein DEB-Präsident Rainer Gossmann, der wegen Verdacht des Steuerbetrugs zehn Tage in U-Haft schmorte.

Eishockey ist wahrlich nicht die seriöseste unter den Sportbranchen. Noch vor einer Woche erregte der Sportjurist Norbert Hiedl Aufsehen mit seinem „begründeten Verdacht, dass mindestens 70 Prozent der Vereine schwarze Kassen führen“. Die DEL – „ein Kartell der Unehrenmänner“. Branchenkenner fragen sich derweil, wie die restlichen 30 Prozent wirtschaften. In der Liga dominieren gute, aber nicht allererstklassige Cracks aus Übersee. Für deutsche Spieler gibt es kaum Arbeitsplätze, sie spielen tieferligig, in Füssen oder Riessersee. Die Nachwuchsarbeit ist ein Debakel.

Den eisigen Adlern, Huskies, Skorpionen und Haien der DEL samt Fans ist das für die Big Show herzlich egal. Wer kennt schon die deutschen WM-Spieler: Goc, Brännström, Seidenberg, Soccio, Smazal ... Identifikation kommt da nicht von selbst: Vergangenen Freitag, beim Testspiel 1:3 in der DEL-Stadt Schwenningen gegen die Ukraine, pfiffen die Fans die schwachen Deutschen aus und jubelten dem eigenen Helden Wadim Sliwschenko zu. Deutschlands Chefcoach Hans Zach (52) explodierte vor Wut über die unsolidarischen Zuschauer: „Da wird einer gefeiert, der seine Kreisel dreht und nächstes Jahr für mehr Geld woanders spielt.“

Sportlich gilt es für die Deutschen allein den Abstieg zu vermeiden. Keines der enttäuschenden sechs Testspiele wurde gewonnen. „Wir haben“, sagt Zach, „unüberbrückbare Mängel.“ Auch Erstgegner Schweiz sei sportlich „so weit weg wie die Sonne vom Mond“. Das „Gequake von der Zwischenrunde“ will Metzgermeister Zach nicht hören, aber, weiß er: „Bei uns gibt es Fischer, die in der Isar einen Hai fangen wollen.“ Nicht mal Klassegoalie Olaf Kölzig wird den Puck wegfischen: Er schied zwar pünktlich mit den Washington Caps in den NHL-Play-offs aus, aber ein malades Knie zwingt zur Absage. „Vom technischen Potenzial her“, sagt Zach, stehe Deutschland mit „an letzter Stelle“. Ersatzweise gebe es „nur Kampfgeist, Disziplin und körperliche Fitness entgegenzusetzen“. Und Fachmann Zach weiß: „Sicher kann man aus einem Elefanten keinen Seiltänzer machen.“ Immerhin: 240.000 Tickets sind bereits abgesetzt; die Elefanten-Auftritte ausverkauft. Der DEB hofft auf eine Million Gewinn, damit soll auch der Nachwuchs gefördert werden.

Ach, übrigens, erinnert sich wer an den amtierenden Weltmeister? Die Tschechen sind es, die 2000 in St. Petersburg mit 5:3 den Titel gewannen gegen die Slowakei. Die Tschechen (deutscher Gruppengegner am Sonntag) sind neben Schweden und den Slowaken auch 2001 Mitfavorit. Kanada und vor allem die USA kommen, wie meist, nur mit den Leftovers der NHL, deren beste Teams (und Spieler) mit WM-Beginn gerade ihre Achtelfinals beenden. Die Russen, die einst mit Goalie Tretjak und der Traumreihe Michailov/Titov/Petrov zauberten, hat hingegen kaum wer auf der Rechnung.

Sportive Video-Installation mit Ali, Jordan, Maradona & Co...Sa., 28.4., ab 14 Uhr