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Verblühte Hoffnung

Der türkische Sozialdemokrat Ecevit stellt sich zur Wiederwahl als Parteivorsitzender

von ANTJE BAUER

„Umudumuz Ecevit“– Ecevit, unsere Hoffnung – lautete der Wahlslogan, als Bülent Ecevit 1973 als sozialdemokratischer Spitzenkandidat antrat und zum türkischen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Der Schöngeist Ecevit, Journalist und Übersetzer von Tagore und Eliot, war für viele fast ein neuer Kemal Atatürk: Jung, weltoffen, gemäßigt links und von einem Nationalismus beseelt. Als im Juli 1974 die griechisch-zypriotische Nationalgarde gegen Zyperns Präsidenten Makarios putschte, entsandte Ecevit türkische Truppen auf die Insel und wurde damit in der Türkei zum Volkshelden.

Ecevit war damals schon kein Neuling in der Politik: Seit 1950 war er Mitglied der kemalistischen „Republikanischen Volkspartei“ CHP und ab 1957 deren Parlamentsabgeordneter. Seither sind 50 Jahre vergangen, und Ecevit ist zum Beispiel dafür geworden, wie einer von der Politik nicht lassen kann, auch wenn ihn die Beine kaum mehr tragen: Der inzwischen 76-jährige Regierungschef schickte sich am gestrigen Sonntag an, erneut zum Vorsitzenden der „Demokratischen Linkspartei“ DSP, einer Nachfolgepartei der damaligen CHP, gewählt zu werden. Seiner Gegenkandidatin Sema Piskinsüt wurden kaum Chancen eingeräumt. Piskinsüt war im vergangenen November auf Anordnung Ecevits von ihrem Posten als Vorsitzende des Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments abgelöst worden – ihre Berichte waren offenbar nicht zurückhaltend genug gewesen.

Dass Ecevit zwei Putsche miterlebte, hat ihn sensibel für die Befindlichkeit der Militärs gemacht. So war es nicht nur seine Ablehnung gegenüber dem politischen Islam, sondern auch der Druck der Miltärs, die ihn im Sommer 2000 ein Dekret ausarbeiten ließen, das die Entfernung von Islamisten aus dem öffentlichen Dienst erleichtern sollte.

Sein militanter Nationalismus ist ihm geblieben: Weiterhin verteidigt er den Verbleib der türkischen Truppen auf Zypern, obwohl die internationale Gemeinschaft die „Türkische Republik Nordzypern“ nicht anerkannt hat.

50 Jahre Politik haben aus dem ehemaligen Intellektuellen vor allem einen intriganten Politiker gemacht, der, wie seine rechten Kollegen, Banken zur Finanzierung seiner Partei ausnutzte und durch Tun und Lassen die Krise mit herbeiführte, die die Türkei seit zwei Monaten im Würgegriff hält. Auch wenn er sich heute wohl wieder als Vorsitzender der von ihm geschaffenen Partei bestätigen lassen wird – ein Hoffnungsträger ist Ecevit heute nicht mehr.

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