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Es droht der Ausverkauf

■ Anmerkungen zum Rembertikreisel Von Robert Bücking

Der Umbau des Rembertikreisels ist Teil eines größeren innerstädtischen Straßenbauprojekts, das die Erschließung und Anbindung des schnell wachsenden Nordostens der Stadt an die Innenstadt sichern soll. Während die Strecke nach Horn und Lilienthal vor allem durch die Linie 4 gestärkt wird, ist der Ast über die Kurfürstenallee an die A 27 bereits heute ein kreuzungsfreier Autobahnzubringer bis tief ins Innere der Stadt.

Dort, wo beide Straßen verknüpft werden, sollen in Zukunft in jeder Richtung zwei Fahrbahnen für den Autoverkehr zur Verfügung stehen. Außerdem soll die Straßenbahn auf eigener Trasse geführt werden. Eine Besonderheit ist der Concordia-Tunnel. Er soll aufgeweitet werden, damit die Schwachhauser Heerstraße ohne Engstelle hindurchpasst. Gleichzeitig wollen die Straßenbauer die Höhe auf 4,50 Meter ausbauen, um auch großen Lastwagen und Bussen die Durchfahrt zu ermöglichen. Politisch ist die Sache sauber aufgeteilt: Die Sozialdemokraten sind freundlich zur Straßenbahn, die CDU erhebt die Stimme für die Autofahrer. So sind beide Aspekte bedient. Sozusagen eine große Koalition zwischen den Bordsteinen.

Eine Art Phantomschmerz

Spätestens aber an dem Abschnitt, wo es um die Neuordnung des Rembertikreisels geht, geht diese Schlachtordnung an der Sache vorbei. Der Umbau des Kreisels entscheidet über die Entwicklung der östlichen Bahnhofsvorstadt. Hier geht es um Stadtentwicklung und Stadtreparatur, um neue Wohn- und Geschäftshäuser und um die Wiederherstellung der Verbindung zwischen den Quartieren.

Wer sich bei Gannie Bukinni ins Café an den Rand des Kreisels setzt, spürt eine Art Phantomschmerz über den Verlust alter, lebensfähiger Stadt auf dieser Verkehrsbrache. Die Blocks sind zur Hälfte abgebrochen und nun schutzlos mit ihrer empfindlichen Seite dem Verkehrslärm und Dreck ausgesetzt. Die Straße hat keinen Rand und läppert aus ins Nirgendwo. Das Quartier ist auseinander gerissen, Häusergruppen liegen als Reste auf Verkehrsinseln.

In den sechziger Jahren erwartete der Senat ein Anwachsen der Bremer Bevölkerung auf 800.000 Einwohner. Die Innenstadt sollte das dominante Verwaltungs- und Handelszentrum von Stadt und Region sein. Hochhäuser (insbesondere für die Verwaltung) und der Waller Fernsehturm sollten an der „Magis-trale von Rembertiring und Breitenweg“ die Macht der reichen Hansestadt symbolisieren. Es ist unübersehbar: Die peinlichen Relikte dieser Großmannssucht beschädigen die Bahnhofsvorstadt bis heute. Und hätten nicht die Ostertorschen und die Zeitenwende Ende der sechziger Jahre die Mozarttrasse verhindert, Bremen wäre von eigener Hand stärker beschädigt worden, als durch die Bomben im Zweiten Weltkrieg.

Wir können uns merken: Einigermaßen realistische Annahmen über die Basistrends der Stadtentwicklung sind die entscheidende Grundlage aller Planung von Infrastruktur. Und: Ein Gespür für die Maßstäbe und Qualitäten der gewachsenen Quartiere ist unerlässlich für eine gute Stadtentwicklungspolitik.

Das Tor zur Innenstadt

So monströs sich die Verantwortlichen in den sechziger Jahren verschätzt haben, so schwer ist es, die Folgen rückgängig zu machen. Denn es geht nicht nur um den kleinen Ausschnitt zwischen Concordia-Tunnel und Bahnhof. Das Siedlungs- und Gewerbe-Muster von Stadt und Region setzt allenthalben das Auto voraus. Die Stadt hat sich zu einem Band von 40 Kilometern Länge entwickelt. Und die Landesregierung legt bekanntlich, wo immer sie kann, selber Hand an, wenn es darum geht, diesen Trend anzufeuern.

Die Innenstadt ist noch immer und zum Glück die am intensivsten genutzte Fläche der Stadt. Dicht gedrängt versammelt sich hier Einzelhandel, Dienstleistung, Amüsement, Verwaltung, politische Repräsentanz und Wohnen. Das alles produziert Verkehr. Und mehr davon produziert mehr Verkehr.

Das Gute ist: 50 bis 60 Prozent des Innenstadtverkehrs wird mit ÖPNV, Rad und per pedes abgewickelt. Das Schlechte ist: 40 Prozent Autos sind immer noch sehr viel, wenn sie vor der Haustür vorbeirauschen. Über den Rembertikreisel erreicht ein bedeutender Teil der Kunden und Beschäftigten der Innenstadt ihr Ziel. Das läuft auf eine vierspurige Straße und auf die Zahl von 30.000 bis 40.000 Autos am Tag hinaus. Drei Straßenbahnlinien müssen durch die komplizierten Kreuzungen gefädelt werden. Ein Kampf, der sich vornimmt, diese Straße zurückzubauen und zu dem Stadtgrundriss vor dem Zweiten Weltkrieg zurückzukehren, ist aussichtslos. Er würde im Erfolgsfall die Innenstadt als Wirtschaftstandort schwer beschädigen und den Trend zum Rand der Stadt enorm beschleunigen. Mit allen Konsequenzen für den Verkehr.

Das ist kein guter Tausch. Man wird akzeptieren müssen, dass hier eine Straße gebaut wird, über die nicht weniger Verkehr fließt als zurrzeit über den Kreisel. Der vom Bauressort vorgelegte Plan folgt aber einer zu einfachen Logik. Die Zusammenfassung der Fahrbahnen und des Kreisels legen Flächen frei, die bebaut werden sollen. Die Gestaltung der Straße ist geprägt von der Idee der Leistungsoptimierung und eines zügigen Verkehrsflusses. Das untergeordnete Straßennetz bleibt zerrissen. Wo der Platz an den Kreuzungen nicht reicht, müssen die Autos um die benachbarten Blocks kurven.

Keine neue Hochstraße

Der Beirat tritt dafür ein, dass die Straße den Charakter als Autobahnzubringer abstreift. Man wird den Verlauf der Straße überdenken müssen, um vernünftige Grundstücke an ihrem Rand zu erhalten. Vor allem wird man die berüchtigte Schleifmühlen-Umfahrung zu Gunsten einer direkten Geradeaus-Fahrt aus Schwachhausen in die Innenstadt aufgeben müssen. Diese Umfahrung ist nicht nur unübersichtlich und gefährlich – sie verhindert die Entwicklung wertvoller Grundstücke und beschädigt ganze Häuserblocks. Hier ist der Eingang in die Innenstadt. Da schickt man nicht die Hälfte der Besucher erst einmal um den Pudding. Mit einem vernünftigen Kompromiss zwischen Straßenbahn und Autoverkehr müsste das auch möglich sein.

Es geht bei allen diesen „ Kleinigkeiten“ letztlich um den Charakter der Straße. Handelt es sich um eine Straße, die Adressen erschließt? Die Parken und Anliefern zulässt? Handelt es sich um eine Straße, die man queren kann ohne an der Ampel campieren zu müssen? Handelt es sich also um eine Innenstadtstraße, in der sich alle Funktionen überlagern und eine gewisse Rücksicht erzwingen? Oder handelt es sich doch um die Fortsetzung der Hochstraße mit anderen Mitteln?

Wir glauben, dass man diese Korrekturen an dem Plan auch verkehrlich verantworten kann. Heute ist der Rembertiring Teilstück einer bequemen Abkürzung für Autofahrer, die von der B 6 kommend sich den langen Bogen der A 27 um die Stadt sparen möchten. Diese Abkürzung hätte dann ihren Vorteil eingebüßt. Mit dem Bau der A 281 und der Leistungssteigerung des Freihafen-Zubringers werden Alternativen entwickelt, die diese Entscheidung erleichtern.

Schließlich: Neben einer so stark befahrenen Straße gute Häuser zu bauen, ist in Bremen eine schwierige Aufgabe. Die Bauplätze stehen in Konkurrenz zu den zahlreichen aufgeräumten Wohn- und Gewerbegebieten in guter und oft subventionierter Lage. Deshalb droht an dieser Stelle ein Ausverkauf an Inves-toren ohne besonderes Engagement für diese Adresse und diesen besonderen Ort. Beispiele dafür gibt es genug. Die Bürger aus den Quartieren haben angesichts der maßlosen Bauten aus den siebziger Jahren, die schon nach 25 Jahren ihrem gnädigen Ende entgegengammeln, keinen Vertrauensvorschuss für die Bauwirtschaft. Deshalb wird die Politik beweisen müssen, dass hier die allergrößte Sorgfalt aufgewendet werden soll.

Ressort hat die Verantwortung

Im Fedelhören, auf den Häfen und in der Schleifmühle kann man studieren, was hier möglich ist. Es geht um Stadthäuser, deren Qualität und Wirtschaftlichkeit auf der Kombination von Geschäftsräumen und Wohnungen beruht. Hochhäuser, wie sie von einigen für dieses Gebiet vorgeschlagen werden, gehören hier nicht hin. Sie sind nicht anschlussfähig an die Quartiere. Mit diesen Großformen kann an dieser Stelle keine Stadtreparatur gelingen.

Die Stadt verfügt über die Grundstücke. Das ist ein Glücksfall, weil es ein starkes Steuerungsinstrument ist. In den siebziger Jahren hat man diese Flächen aus der Sanierung ausgespart. Jetzt muss das Bauressort die Verantwortung übernehmen und ein neues Sanierungsgebiet ausweisen. Die Grundstücke sollten einer Sanierungsgesellschaft übertragen werden. Die wichtigsten Gebäude brauchen mindestens einen Investoren-Wettbewerb. Je mehr Bauherren für eigene Nutzung bauen, desto besser. Solche Instrumente garantieren den langen Atem und die Macht, hier die städtebauliche Qualität zu sichern, die mit dieser Straße fertig wird.

Robert Bücking ist Leiter des Ortsamts Mitte/Östliche Vorstadt

Eine öffentliche Einwohner-Versammlung zum Umbau des Rembertikreisels findet am Montag, 7.5., um 19 Uhr im DGB-Haus an der Weide statt. Die Bausenatorin hat ihre Teilnahme zugesagt.

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