: Kritik und Pfiffe für „Faulpelz Schröder“
Wenig Harmonie zwischen dem SPD-Chef und dem DGB am Tag der Arbeit: Gewerkschafter äußern lautstark ihren Unmut über Schröders Drückeberger-Sprüche. Und das Publikum in Rostock pfeift auf die Versprechungen des Kanzlers
ROSTOCK dpa/ap/taz ■ Feiertag und Sonnenschein, volle Biergärten und glückliche Menschen – ein 1. Mai wie im Bilderbuch. Da wollte auch der Kanzler niemandem das Recht auf Faulheit bestreiten. Im Gegenteil: Gerhard Schröder kam gestern nach Rostock, um ein paar frohe Botschaften zu verkünden und neue Freunde im Osten zu gewinnen.
Solidarpakt II? Wird „in jedem Fall“ auf den Weg gebracht, versprach der Kanzler auf der Hauptkundgebung des DGB. Jugendarbeitslosigkeit in Ostdeutschland? Wird auch in Zukunft mit zwei Milliarden Mark pro Jahr bekämpft. Krise der Werften? „Die Bundesregierung steht an der Seite der Schiffbauer.“ Alles, was Schröder sagte, sollte signalisieren: Ich bin bei euch. Der Aufbau Ost bleibt Chefsache. Doch so schön, wie Schröder sich den Tag der Arbeit vorgestellt hatte, wurde er nicht. Dafür hatten die 3.000 Zuhörer in Rostock noch zu gut die „Drückeberger“-Sprüche des Kanzlers in Erinnerung. „Wir sind keine Faulenzer und würden gern arbeiten, Herr Bundeskanzler!“ So empfingen ihn die Mitglieder des örtlichen Arbeitslosenverbandes. Auf einem Spruchband stand: „Arbeitslose beleidigen schafft keine Arbeitsplätze!“ Einige waren so dreist und drehten den Spieß um: „Aufbau Ost. Faulpelz Schröder“. Für seine Rede bekam der Kanzler neben Applaus auch laute Pfiffe. Was die Rostocker DGB-Sekretärin so erklärte: „Ost-Besuche des Kanzlers allein reichen nicht.“ Der Osten brauche wirksame Konzepte und keine Sonntagsreden und Almosen.
Auch in Hannover übte Ver.di-Chef Frank Bsirske Kritik: „So funktioniert das nicht, dass der Bundeskanzler für den Aufschwung zuständig ist und die Arbeitslosen für die Arbeitslosigkeit!“ Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer nannte die Forderungen nach schärferen Sanktionen für Arbeitsunwillige „überflüssig wie ein Kropf“.
Auch DGB-Chef Dieter Schulte ersparte Schröder das Thema nicht, er formulierte seine Kritik nur höflicher: Die Menschen wollten arbeiten, sagte er in Rostock, und bräuchten deshalb ein Recht auf Arbeit, Bildung und Ausbildung. „Das Gebot der Stunde lautet: Abbau von Überstunden und die Schaffung von mehr qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen.“ Die Unternehmer müssten ihre Gewinne endlich in neue Arbeitsplätze investieren. IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel kündigte eine „knüppelharte Lohnrunde“ für 2002 an. LKW
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen