: Humor im Leben, dem falschen
■ Bonjour Tristesse: Vier Filme von Aki Kaurismäki im Maiprogramm des B-Movie
Aki Kaurismäkis Vorliebe für Grautöne ist unverhohlen und gradlinig. Ob seine Filme in London oder Helsinki spielen, das städtische Gesicht zeigt sich mit Sicherheit nicht von seiner Sonnenseite. Ein Kino-Tourismus in die schöne neue Welt ist daher in seinen Filmen ganz und gar unmöglich.
Dafür können Docks, Fabriken, Hinterhöfe und ländliche Einöden besucht werden. An diesen Orten trifft man auf seine abgewrackten Protago-nistInnen, die ganz existentielle Lebenskämpfe bestehen müssen. Denn für sie – wie für alle anderen auch – geht es um Liebe, Arbeit, Geld und um das blanke Überleben. Und weil sie mit dieser thematischen Bandbreite nicht allein sind, stellen sie auch keine besonderen Helden dar. Sie sind schlichtweg alltägliche Zeitgenossen – mit fettigen Haaren und mit Träumen von einem besseren Leben. Und da sich letztere nie auf die erträumte Art und Weise erfüllen, ist Kaurismäki auch ein finnischer Existentialist. Schließlich geht es in seinen Filmen darum, die wesentlichen Bedingungen einer Existenz auf den Punkt zu bringen.
Nun sind diese existentiellen Lebensbedingungen bei Kaurismäki aber auf eine so wortkarge, undramatische und lakonische Art und Weise abgefilmt, dass jeder Rollkragen-Existentialist sich an seinem Montmartre-Milchkaffee verschlucken würde. Wenn beispielsweise Held Taisto in Ariel nicht nur seinen Job, sondern auch Geld und Auto verliert und ihm nichts als die blanke Existenz bleibt, dann geht für ihn das Leben auch ohne große Sinnfragen weiter. Es gibt keine dramatische Pause der Besinnung. Was zählt, ist dasjenige, was man tun kann. Und das ist unter Umständen wenig, bisweilen obskur und möglicherweise vom Pech verfolgt. Überhaupt liegt es bei Kaurismäki nicht am Ermessen eines Einzelnen, ob ein Lebensweg gelingt oder in ein Desaster führt.
Taisto hat in Ariel das Glück, zufällig die richtige zu Frau treffen. Während Iris in Das Mädchen aus der Streichholzfabrik an ihrer egomanischen Umwelt scheitert, die sie folgerichtiger Weise gleich um die Ecke bringt. Henri Boulanger wiederum hat in I Hired a Contract Killer persönlich nichts dazu beigetragen, dass sein selbstbestellter Mörder lungenkrank ist und im Sterben liegt.
Wie das Leben Kaurismäkis ProtagonistInnen zuspielt, liegt keinesfalls an selbsterwählten Umständen. Sie sind äußeren Bedingungen ausgeliefert, sie stoßen ihnen zu, letztendlich können sie nur darauf reagieren. Gerade bei dieser Erzählweise, ihrer unglaublichen Anti-Dramatik wegen, schleicht sich allerdings durch die Hintertür der Humor hinein. In Kaurismäkis Filmen gilt es, möglichst ohne großes Mimik- und Muskelspiel die größtmögliche Reihung von Unglücksfällen zu überleben.
Doro Wiese
Juha (Vorfilm: Thru the Wire): Do, Sa, So + 8.5., 20.30 Uhr, Sa auch 22.30 Uhr; Ariel (Vorfilm: Those Were the Days): 10., 12. + 13.5., 20.30 Uhr, Sa a. 22.30 Uhr; Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (ohne Vorfilm): 17., 19. + 20.5., 20.30 Uhr, Sa a. 22.30 Uhr; I Hired a Contract Killer (Vorfilm: Rocky): 24., 26. + 27.5., 20.30 Uhr, Sa a. 22.30 Uhr
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