: Kurt bleibt doch
Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat nicht zu wenig, sondern zu viel Miete gezahlt, meint ein Prüfbericht der Staatskanzlei. Kein Rücktritt
DRESDEN taz ■ Nervosität herrschte spürbar schon vor Beginn der gestrigen Sitzung des Haushalt- und Finanzausschusses im Sächsischen Landtag.
Während die CDUler betretene Gesichter machten, gab der SPD-Abgeordnete Karl Nolle ein Interview nach dem anderen. Bissig hatte er in den letzten Wochen die Staatskanzlei mit Anfragen gelöchert und den Schneeball erst zur Lawine anwachsen lassen. Sein Vorwurf: das Ehepaar Biedenkopf als Mieter im Gästehaus der Staatsregierung habe sich Vorteile verschafft. Mit einmal hatte auch Sachsen seine klassische Putzfrauenaffäre. Noch vor einem ohnehin erwarteten Bericht des Rechnungshofes sah sich daraufhin die Staatskanzlei veranlasst, in nur drei Wochen einen eigenen Prüfreport zu erstellen. Hinsichtlich der von der Opposition als viel zu gering angesehenen Mietzahlung am Gästehaus von 1.857 Mark warm für 150 Quadratmeter blieben die externen Gutachter uneins. Bestand eine Mietpreisbindung oder nicht?
Was schließlich herauskam, kommentierte Nolle spontan als „Zumutung“: 8,15 Mark kalt in einer Spitzenlage am Weißen Hirsch sind völlig korrekt, weil nicht Biedenkopf selbst, sondern die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft die Mietverträge abgeschlossen hat. Im Gegenteil: Biedenkopf sind sogar rund 13.802 Mark zu viel berechnet worden, weil sich die exakte Wohnungsgröße nach achtmaligem Nachmessen mit nur 130 qm herausstellte. Überdies seien die Betriebskosten zu hoch angesetzt gewesen. Hier hätte die übliche Pauschale greifen müssen, denn erstaunlicherweise verfügt die Villa nicht über separate Messgeräte. Der Betrieb entspreche überhaupt „in keiner Weise“ den Haushaltvorschriften des Freistaates, räumte Staatskanzleichef Georg Brüggen ein. Verantwortlich machte er für die allzu lockere Handhabung die Führungsspitzen von Staatskanzlei und Finanzministerium, also seinen Amtsvorgänger und Biedenkopf-Intimus Günter Meyer. Immerhin finden aber die Fahnder der Staatskanzlei einige Ungereimtheiten, die geldwerte Vorteile Biedenkopf bei Verwandtenbesuchen ausmachen. „Alles in allem ein Nullsummenspiel“, so Brüggen, der damit die Verantwortung von Biedenkopf weg auf die Staatskanzlei zog. Für Karl Nolle bleibt indessen am empörendsten, dass am privaten „Hofstaat“ von sechs Freistaatsangestellten der Biedenkopfs nicht gerüttelt wird. Biedenkopf selbst hatte gestern Zahlungsbereitschaft erklärt, jegliche Rücktrittsforderungen aber zurückgewiesen. MICHAEL BARTSCH
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