: Leben mit Barrieren
Arbeitsgruppe legt umfassendes Gutachten über die Rechtssituation Behinderter in Deutschland vor: Viele Gesetze sind diskriminierend
BERLIN taz ■ Trotz Gleichstellungsgrundsatz im Grundgesetz erleben behinderte Menschen täglich erhebliche Benachteiligungen in vielen Lebensbereichen. Das ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe Gleichstellung, die im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung ein umfassendes Gutachten über die Rechtssituation Behinderter erstellt hat. Die 16-köpfige Arbeitsgruppe von Fachleuten aus Verbänden und Vereinen, Juristen und Verwaltungsexperten stellte gestern nach fast dreijähriger Tätigkeit mit dem Abschlussbericht „Gleichstellung von Behinderten“ den bundesweit bisher umfassendsten Bericht zur Situation der Behinderten in Deutschland vor.
Insgesamt enthalten elf Landes- und 27 Bundesgesetze Regelungen, die nicht behindertengerecht sind, erklärte der nordrhein-westfälische Sozialminister Harald Schartau (SPD). „Wir erhalten damit eine hervorragende Diskussionsgrundlage, wie in Zukunft eine umfassende Gleichstellungsgesetzgebung gestaltet werden kann“, sagte der Minister bei der Vorstellung der Ergebnisse in Düsseldorf.
Das Gutachten zeigt, dass es nach wie vor Rechtsnormen gibt, die diskriminierend sind. So würden zum Beispiel im Haftungsrecht Taubstumme wie Minderjährige eingestuft, und Gehörlose dürften kein Testament aufsetzen. Die Experten bemängeln vor allem die fehlende Barrierefreiheit. Barrierefreiheit – die Möglichkeit, überall hinzugelangen und alle Informationen zu erhalten – ist für behinderte Menschen von elementarer Bedeutung. Viele Behörden, Schulen oder Hochschulen sind jedoch oft nicht mit dem Rollstuhl zugänglich. Toiletten in der Öffentlichkeit sind ebenfalls oft nicht rollstuhlgerecht. Für Blinde oder Gehörlose ist es schwierig, sich im öffentlichen Nahverkehr oder im Straßenverkehr zu orientieren.
Die Arbeitsgruppe fordert deshalb, Barrierefreiheit als allgemeines Prinzip in die Landesbauordnung aufzunehmen. Außerdem plädiert sie für Gleichstellungsgesetze auf Bundes- wie auf Landesebene und für eine regelmäßige Berichtspflicht der Bundes- und Landesregierungen. Andere Forderungen sind die Anerkennung der Gebärdensprache und die Beweislastumkehr bei Klagen gegen Benachteiligung und Diskriminierung.
„Eines ist schon heute klar: Mit der Lebenssituation behinderter Menschen ist noch längst nicht alles zum Besten bestellt. Das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz ist oft noch ein uneingelöstes Versprechen“, erklärte Minister Schartau. DALF
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