: Indianerland in Indianerhand
Brasiliens Regierung erkennt weitere indigene Territorien an. Konflikte mit weißen Siedlern setzen sich dennoch fort
SÃO PAULO taz ■ Die Xukuru-Indianer im Nordosten Brasiliens haben allen Grund zu feiern: Sechs Jahre nach der Vermessung ihres Gebiets im Bundesstaat Pernambuco gab Präsident Cardoso am vergangenen Wochenende grünes Licht zur endgültigen Registrierung. Damit sind die Xukuru beim Kampf um ihr Land einen entscheidenden Schritt weiter gekommen.
Freilich bedeutet diese juristische Maßnahme noch lange nicht, dass die über 6.000 Xukuru die Hände in den Schoß legen können. Denn noch halten 281 weiße Siedler, darunter 26 Großgrundbesitzer, den Löwenanteil des 275 Quadratkilometer großen Territoriums besetzt. Nun muss die staatliche Indianerbehörde Funai die Farmer, die sich in den letzten Jahrzehnten angesiedelt haben, entschädigen und aus dem Gebiet ausweisen. „Das wird aller Erfahrung nach Jahre dauern“, befürchtet Blandina Spesha vom katholischen Indianermissionsrat (Cimi), der wichtigsten Unterstützerorganisation der Xukuru.
Neben dem Land in Pernambuco hat Cardoso die Rechte indigener Völker auf weitere neun Gebiete in fünf Bundesstaaten anerkannt. Insgesamt machen die 575 indianischen Gebiete in Brasilien 1,04 Millionen Quadratkilometer aus, wovon nun 82 Prozent offiziell anerkannt sind. Im Amazonasbecken unterstützt die deutsche Bundesregierung die Landmarkierung mit 30 Millionen Mark.
Eigentlich hätte die verfassungsmäßig vorgeschriebene Anerkennung aller Indianerterritorien bereits 1993 abgeschlossen sein sollen. Doch angesichts der häufigen Konflikte gehen die jeweiligen Regionalregierungen sehr halbherzig vor. Besonders kritisch ist die Lage an der Grenze zu Venezuela und Guyana, wo etwa 10.000 Makuxí-Indios seit 30 Jahren um das Gebiet Raposa-Serra do Sol kämpfen. Die Makuxí gelangen kaum noch zu ihren Jagd- und Anbaugebieten, ohne mit den oft gewalttätigen Siedlern in Streit zu geraten. Mit Unterstützung des Verteidigungsministeriums hat die lokale Oligarchie bisher die Landvermessung verhindern können. Eine Staatsanwältin erhält Morddrohungen, weil sie sich gegen den Bau einer Kaserne auf Indianerland einsetzt. Der Präsident und der oberste Gerichtshof, wo ein Verfahren dazu anhängig ist, schieben die Entscheidung über die Anerkennung des Landes auf die lange Bank. Und vor kurzem forderte Verteidigungsminister Geraldo Quintão sogar, die 1992 erfolgte Demarkierung des benachbarten Yanomami-Territoriums wieder zur Debatte zu stellen. GERHARD DILGER
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